Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt
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Nach Inbetriebnahme der leistungsstarken Hochöfen in Donawitz <strong>und</strong> Eisenerz,<br />
welche die Roheisenverschmelzung der alten Holzkohlenöfen um ein Vielfaches<br />
übertrafen, waren die Tage der Vordernberger Öfen gezählt. Die ÖAMG stellte ihr<br />
letztes Radwerk, das Dreierwerk, 1921 ein. Mit dem Niederblasen des zum Betrieb<br />
der Gebrüder Böhler & Co. AG gehörenden Radwerkes XIV ging 1922 die Geschichte<br />
der Erschmelzung von Holzkohlenroheisen nicht nur in Vordernberg, sondern in<br />
ganz Steiermark zu Ende. Auf dem Erzberg wurde der Etagenbau rasch vorwärts<br />
getrieben: Die Einführung der Pressluftbohrung <strong>und</strong> des Baggerbetriebes zwischen<br />
1908 <strong>und</strong> 1912 steigerte die Erzerzeugung von 1901 bis 1913 von etwa zwei auf vier<br />
Millionen Tonnen jährlich. Das Donawitzer SM-Stahlwerk, das bis 1912 vierzehn<br />
Öfen unter einem Dach vereinte, galt vor dem Ersten Weltkrieg als größte einheitliche<br />
Anlage auf dem Kontinent. Eine weitere Modernisierung in der Stahlerzeugung<br />
stellte die Verwendung von elektrischem Strom dar. In den Jahren 1907 <strong>und</strong> 1908<br />
nahmen die ersten Elektrostahlöfen, die nach dem Erfinder benannten Héroult-Öfen,<br />
ihren Betrieb in Judenburg <strong>und</strong> Kapfenberg auf. Mitte der 1920er Jahre stellte der<br />
Lichtbogenofen das wichtigste Aggregat zur Herstellung legierten Edelstahles dar;<br />
dieses Verfahren wurde 1928 von der Hütte Donawitz zur Herstellung von Elektrostahl<br />
eingesetzt.<br />
Der Zeitraum von etwa 1870 bis zum Ersten Weltkrieg war einerseits von einem<br />
Schrumpfungsprozess, der vor allem veraltete Anlagen betraf, andererseits von einem<br />
ungeheuren Aufschwung <strong>und</strong> raschem Wachstum des steirischen Eisenwesens gekennzeichnet.<br />
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts wurden zwei weitere Großbetriebe<br />
errichtet, die wirtschaftliche Bedeutung in der Region <strong>und</strong> darüber hinaus erlangten.<br />
Die im Jahr 1860 von Max Kober gegründete Brauerei Göß wurde zur größten Brauerei<br />
im steirischen Oberland. Durch den Ankauf <strong>und</strong> die Stilllegung anderer kleiner, in der<br />
Steiermark, in Kärnten <strong>und</strong> im Lungau gelegenen Brauereien wuchs das Unternehmen<br />
zu einem Großbetrieb heran <strong>und</strong> erzeugte im Jahr 1913 300.000 Hektoliter Bier. Auch<br />
die Papierindustrie fasste zwischen Bruck an der Mur <strong>und</strong> Leoben Fuß: In Niklasdorf<br />
erwarben Brigl & Bergmeister aus Bozen die gesamten Eisenwerksanlagen der Vordernberger<br />
Radmeistercommunität <strong>und</strong> errichteten dort eine gut gehende Zellstofffabrik.<br />
Während des Ersten Weltkrieges wurde die massenhafte Produktion von Rüstungsmaterial<br />
aller Gattungen forciert. Die ÖAMG versorgte die Produktionsstätten mit<br />
dem benötigten Stahl <strong>und</strong> war selbst ein Hauptproduzent für Geschütze, Munition,<br />
U-Boot- <strong>und</strong> Flugzeugbestandteile. Mit einer Jahresleistung von zwischen 400.000<br />
<strong>und</strong> 600.000 Tonnen, r<strong>und</strong> ein Drittel der gesamten Produktion der österreichischen<br />
Reichshälfte, war die Roheisenerzeugung der ÖAMG in Donawitz <strong>und</strong> Eisenerz die<br />
größte aller österreichischen Stahlwerke. Auch die Böhlerwerke in Kapfenberg lieferten<br />
Fertigwaren wie Feldkanonen <strong>und</strong> -haubitzen, Minenwerfer <strong>und</strong> Stahlhelme <strong>und</strong><br />
produzierten zusätzlich etwa 8000 bis 14.000 Tonnen Roheisen jährlich.<br />
Nach dem Ersten Weltkrieg erlitt die Eisenindustrie im neu geschaffenen österreichischen<br />
Staat einen schweren Rückschlag: Die Roheisenerzeugung der steirischen<br />
Hochofenwerke ging auf einen Bruchteil der Vorkriegs- <strong>und</strong> Kriegsproduktion<br />
zurück. Nach dem Rekordjahr 1916, in dem die Roheisenerzeugung einen Höchststand<br />
von r<strong>und</strong> 660.000 Tonnen erreicht hatte, fiel sie 1919 auf etwa ein Zehntel<br />
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