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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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206<br />

Regierungen den Sparstift angesetzt, um die Stabilität der Währung nicht zu gefährden.<br />

In jener Zeit vermochte die „Winterhilfe“ – eine von zahlreichen öffentlichen<br />

<strong>und</strong> privaten Körperschaften betriebene Sammelaktion – lediglich die ärgste Not<br />

zu lindern. Im Mai 1932 richtete der Bürgermeister von Bruck an der Mur, Franz<br />

Gruber, einen eindringlichen Appell an Land <strong>und</strong> B<strong>und</strong>:<br />

Dem Winter 1931 <strong>und</strong> 1932 hat die ganze Bevölkerung mit größter Besorgnis entgegengesehen.<br />

Dank der Fürsorgetätigkeit der Gemeinde <strong>und</strong> (…) der noch leistungsfähigen<br />

Bevölkerungskreise konnte die Not der durch die Wirtschaftskrise<br />

Bedrängten während der Wintermonate gelindert werden. (…) Die Gemeinde,<br />

deren Einnahme durch die Wirtschaftskrise auch zurückgegangen ist, wäre<br />

nicht in der Lage, bei geringeren Einnahmen mehr Ausgaben zu leisten. (…) In<br />

Erkenntnis dieser Situation <strong>und</strong> der schweren sozialen Gefahren (…) richtet der<br />

Gemeinderat der Stadt Bruck a. d. Mur in letzter St<strong>und</strong>e an die B<strong>und</strong>es- <strong>und</strong><br />

Landesregierung den Appell, sofort Vorkehrungen zu treffen, damit wenigstens<br />

die karge Unterstützung den Menschen erhalten bleibt <strong>und</strong> nicht durch „Aussteuerungen“<br />

eine Katastrophe herbeigeführt wird, in der weit mehr zu Gr<strong>und</strong>e<br />

geht, als jetzt an Unterstützungen erspart wird. 665<br />

5.2.2 Die Radikalisierung der Arbeitslosenszene<br />

Zum Unterschied von der Sozialdemokratie, die das wachsende Heer der Arbeitslosen<br />

im Rahmen bereits etablierter Institutionen, vor allem in der Gewerkschaftsbewegung,<br />

„bei der Stange“ der Partei zu halten suchte, richteten sich die Bemühungen der KPÖ<br />

darauf, das politische Potenzial der Arbeitslosen in revolutionäre Bahnen zu lenken. 666<br />

Die Kommunisten hofften, die Arbeitslosen für sich zu vereinnahmen, indem sie ihnen<br />

die Überwindung der Geißel des Kapitalismus durch die Aufrichtung einer klassenlosen<br />

Gesellschaft verhießen. Das kommunistische Arbeitslosenkomitee nahm für sich<br />

in Anspruch, alle Arbeitslosen vertreten zu wollen, trat vehement gegen die Politik der<br />

Sozialdemokraten auf <strong>und</strong> warf ihnen Parteilichkeit vor. Als die Kommunisten begriffen,<br />

dass graue Theorie weder Hunger stillt noch die Stube heizt, begannen sie sich für<br />

die Anliegen der Arbeitslosen vermehrt einzusetzen. Im Jahr 1926 beispielsweise trat<br />

eine Grazer Delegation des Komitees bei den verschiedensten Institutionen in Stadt<br />

<strong>und</strong> Land mit einem konkreten Forderungspaket zur Linderung der finanziellen Not<br />

auf, erreichte jedoch nichts. Bei allem Verständnis für das Arbeitslosenproblem, wurde<br />

überall beteuert, seien die benötigten Mittel nicht aufzubringen. Um mehr Arbeitsplätze<br />

zu schaffen, forderte die Grazer Stadtpartei die Einführung des Siebenst<strong>und</strong>entages<br />

<strong>und</strong> den Abbau von Überst<strong>und</strong>en vor allem in der Obersteiermark. In Leoben<br />

<strong>und</strong> Donawitz engagierten sich lokale Kommunistenführer wie Wegerer <strong>und</strong> Pichler<br />

eher für die radikale Phrase <strong>und</strong> die Pflege von Feindbildern als für das Schicksal der<br />

665 StLA L.Reg. K.678: Gr.384 (1932), A 17 1932.<br />

666 Die Agitation der KPÖ hat Peter Wilding detailliert dargestellt: Wilding, Arbeit <strong>und</strong> Brot, S. 196ff.

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