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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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mit der Sicherung des Heimweges überfordert schien, baten die Heimwehr-Abgeordneten,<br />

die sich bedroht fühlten, telefonisch um Gendarmerie-Geleit. Nachdem<br />

vor dem Gemeindeamt Ruhe eingekehrt zu sein schien, machte sich die Gruppe von<br />

etwa 40 Personen unter Bedeckung der Gemeindewache auf den Weg, ohne auf die<br />

Ankunft der Gendarmerie zu warten. Als laut Behördenbericht die von der Gemeindewache<br />

flankierte Gruppe der Heimwehr-Gemeinderäte <strong>und</strong> ihrer Anhänger an der<br />

nahen Hauptschule, wo sich etwa 200 Gegner versteckt hielten, vorbeigingen, wurden<br />

sie plötzlich mit Steinen überschüttet <strong>und</strong> es krachte auch ein Schuss. In dem nun<br />

entstandenen Wirbel ergriffen die Gemeinderäte vor der rabiaten mit Stöcken <strong>und</strong><br />

Zaunlatten bewaffneten Menge die Flucht. Als Folge dieses Zusammenstoßes richteten<br />

die jeweiligen Kontrahenten Patrouillendienste ein, angeblich zum Selbstschutz, in<br />

Wirklichkeit jedoch, um ihre Präsenz auf der Straße zu verstärken. Anstatt zu einer<br />

Beruhigung kam es daher zu einer weiteren Radikalisierung des Klimas. In der Nacht<br />

vom 19. zum 20. Mai entlud sich das dräuende Unwetter. Eine Heimatschutzpatrouille<br />

war gegen Mitternacht von etwa 4 bis 5 Personen aus dem Hinterhalt angeschossen<br />

worden, wobei Johann V. eine Schussverletzung erlitten hatte. Dieser gab später zu<br />

Protokoll, er sei schon nach der Donawitzer Gemeinderatssitzung gezielt attackiert<br />

worden. Etwa zur gleichen Zeit als diese Schüsse krachten, wurde nicht weit davon<br />

entfernt eine weitere sinnlose <strong>Gewalt</strong>tat begangen. Eine zweite Gruppe von Heimatschützern<br />

überfiel den arbeitslosen Sozialdemokraten Karl K. <strong>und</strong> traktierte ihn mit<br />

Stöcken <strong>und</strong> Fußtritten. Weitere Schüsse fielen im Ortsteil Neuwerk, wo eine vor der<br />

anrückenden Gendarmerie fliehende Gruppe eine automatische Pistole zurückließ.<br />

In der gleichen Nacht wurden den arbeitslosen Richard B. <strong>und</strong> Josef J. eine geladene<br />

Waffe <strong>und</strong> ein Messer abgenommen. In einem nächtlichen Telefonat mit dem Landesgendarmeriekommando<br />

musste der Leiter der Bezirkshauptmannschaft Dr. Komoraus<br />

eine Verstärkung der Exekutive in Leoben anfordern:<br />

In Leoben hat sich die Situation dadurch verschärft, daß um 1 Uhr früh in<br />

Donawitz ein Heimatschützer angeschossen wurde. (…) Die Situation erscheint<br />

umso kritischer, als in Donawitz auch die Betriebe auf einige Zeit stillgelegt<br />

sind <strong>und</strong> schon vor einigen Tagen bekanntlich die bürgerlichen Mitglieder des<br />

Gemeinderates in Donawitz Angriffen ausgesetzt waren (…).<br />

Diese Vorfälle erregten die Gemüter in höchsten Kreisen. Im Auftrag von Vizekanzler<br />

Winkler <strong>und</strong> Innenminister Bachinger verlangte Ministerialrat D’Elvert die<br />

sofortige Einstellung jedweder Patrouillentätigkeit politischer Gruppen. Die Waffen<br />

führenden Kontrahenten waren zum Sicherheitsrisiko für den Staat geworden. Der<br />

Kommandant des Gendarmeriepostens Donawitz resümierte: Durch die geschilderten<br />

Vorfälle ist die hiesige Bevölkerung beider politischen Gruppen im hohen Grade<br />

beunruhigt. Eine Wiederholung solcher Vorfälle würde bei der herrschenden, überaus<br />

gereizten Stimmung voraussichtlich zu argen Weiterungen führen. 683<br />

683 StLA L.Reg. K.678: Gr.384 (Do 2 1932); StLA L.Reg K.678: Gr.384 (Le10 1932); StLA ZGS (BKA)<br />

K.78/5 (Fol. 827–829).<br />

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