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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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hingegen sah das Ergebnis weniger gut aus: Bei den Landtagswahlen verlor die<br />

SDAPÖ gegenüber 1927 beinahe 7000 Stimmen [r<strong>und</strong> vier Prozent, Anm.]. 98 Auch<br />

in den wichtigen regionalen Zentren der obersteirischen Industrieregion verloren<br />

die Sozialdemokraten. In ihrer Hochburg Bruck an der Mur, wo die Verluste vergleichsweise<br />

gering waren, fiel ihr Stimmenanteil gegenüber 1927 um 4 Prozent,<br />

bei einem reellen Zuwachs der gültigen Stimmen um beinahe 5 Prozent. Geradezu<br />

katastrophal war der Rückgang der sozialdemokratischen Wählerschaft in Donawitz,<br />

wo ihr Stimmenanteil zwischen 1927 <strong>und</strong> 1930 um mehr als 17 Prozent zugunsten<br />

des Heimatblocks dahin schmolz. Allerdings übertrafen die Stimmenverluste der<br />

Christlichsozialen jene der Sozialdemokraten insgesamt bei weitem. 99<br />

2.3 Wichtige Entwicklungen von 1928 bis 1930<br />

Die Heimwehren liefen im darauf folgenden Jahr 1928 zur Hochform auf. Die<br />

Ungeduld Mussolinis <strong>und</strong> des Industriellen Verbandes, der finanziellen Förderer<br />

der Heimwehren, führte zu wiederholten Vorstößen ihrer Führer, endlich das<br />

erstrebte Ziel einer Verfassungsreform zu erzwingen. Diese sollte die Gr<strong>und</strong>lage<br />

der bei dem Wiener Universitätsprofessor Othmar Spann rezipierten „organischen<br />

<strong>und</strong> ständischen“ Staatsidee bilden, in der die „Parteienherrschaft“ zugunsten eines<br />

starken Führers abgeschafft werden sollte. Laut offiziösen Angaben sollte der Sturz<br />

der Regierung Streeruwitz, die von Mai bis September 1929 amtierte, „herbeigeführt“<br />

werden. 100 Zu diesem Plan gehörte vermutlich auch der Zusammenstoß von<br />

St. Lorenzen im Mürztal am 18. August 1929. Nach dem Rücktritt des Kabinetts<br />

Streeruwitz erwies sich der neue Kanzler <strong>und</strong> Wunschkandidat der Heimwehren,<br />

Johann Schober, als williger, aber keineswegs willfähriger Verhandlungspartner im<br />

Poker um die „Macht im Staate“. Anstatt der angestrebten „ständischen“ Verfassungsänderung<br />

wurden Reformen zugunsten einer Stärkung der Stellung des B<strong>und</strong>espräsidenten<br />

im Dezember 1929 beschlossen. Die Enttäuschungen, bloß halbe<br />

Sachen bei der Verfassungsreform erreicht zu haben, führten zu einer Verschärfung<br />

der antiparlamentarischen Stimmung <strong>und</strong> der Gegensätze innerhalb der Heimwehr.<br />

Schließlich wurde ein faschistisches Gr<strong>und</strong>satzprogramm ausgearbeitet, das von<br />

Walter Heinrich, einem Mitglied des Spann-Kreises, entworfen wurde. Die im „Korneuburger<br />

Eid“ enthaltenen radikalen antidemokratischen Forderungen nach einer<br />

ständestaatlichen Ordnung sollten den verschiedenen Strömungen in der Heimwehr<br />

Rechnung tragen. 101 Da das Gr<strong>und</strong>satzprogramm jedoch nicht überall günstig auf-<br />

98 Karner, Steiermark, S. 599.<br />

99 Details zu den Nationalratswahlen 1927 <strong>und</strong> 1930 auf: http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_wahlen/<br />

nationalrat/files/Geschichte/NRW_1927.pdf, http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_wahlen/nationalrat/files/Geschichte/NRW_1930.pdf,<br />

18.12.2009.<br />

100 Österreichisches Heimatschutz Jahrbuch 1933. Für Heimat, Volk <strong>und</strong> Vaterland! hrsg. von der<br />

Landesleitung des Heimatschutzverbandes Steiermark, 1.Jg. 1. Aufl. (Graz 1932), Kurzzitat: ÖHJ<br />

1933, S. 66–69.<br />

101 Laut der „Reichspost“ verkündete B<strong>und</strong>esführer Dr. Steidle, es sei egal, ob sich der eine oder der<br />

andere Führer dieser oder jener Partei zugewendet habe, die Heimwehr müsse danach trachten,<br />

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