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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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Ort verteilt worden seien, auf denen zu lesen stand: Das ist der Anfang, im nächsten<br />

Jahr wird es noch toller. Der Heimatschutz <strong>und</strong> die Nationalsozialisten, hieß es, sollen<br />

Bereitschaft gehalten haben <strong>und</strong> so genannte Fangpatrouillen in voller Uniform<br />

ausgeschickt haben, um „die erschreckten Menschen, die die ganze Nacht im Freien<br />

zubrachten, gegen die Roten scharfzumachen.“ 735 Die Ermittlungen der Gendarmerie<br />

ergaben jedoch, dass sich das rasch überführte Tätertrio – zwei Heimatschützer, die<br />

angeblich durch Zufall mit dem Haupttäter, einem Nationalsozialisten, zusammengetroffen<br />

waren – nur „einen schlechten Sylvesterscherz“ erlaubt hatte. Tatsächlich<br />

schien die ganze Aktion von einem Dilettanten zu stammen, denn Zeugen hatten<br />

ihn <strong>und</strong> seine Kumpanen nahe den Tatorten eindeutig wiedererkannt. Weit schwerer<br />

wog die Tatsache, dass der Mann den Sprengstoff von seiner Arbeitsstätte, einem<br />

Quarzbergwerk, offenbar gestohlen hatte, in der Absicht Angst <strong>und</strong> Schrecken zu<br />

verbreiten. 736 Wie aus einem älteren Bericht des „Kampf“ hervorgeht, war der Täter<br />

kein Unbekannter im Ort. Ende 1931 soll der braune Parteigenosse von „roten Untermenschen“<br />

aus dem Hinterhalt überfallen <strong>und</strong> schwer verletzt worden sein. 737 Gut<br />

möglich, dass das damalige Opfer mit dem gestohlenen Sprengstoff späte Rache<br />

üben wollte.<br />

Jene Sylvesternacht in Trofaiach war jedenfalls Auftakt zu einer furchtbaren Terrorwelle<br />

in der obersteirischen Industrieregion, die nach den turbulenten Sommermonaten<br />

einem gewaltsamen Höhepunkt im Spätherbst <strong>und</strong> zum Jahresende 1933<br />

zusteuerte. Neben zahllosen Hakenkreuzschmierereien, Sachbeschädigungen <strong>und</strong><br />

der Verbreitung verschiedenartiger Schmähungen gegen die Regierung <strong>und</strong> deren<br />

betont „pro-österreichischen Kurs“ ereigneten sich immer wieder Explosionen auf<br />

der Straße. Im November <strong>und</strong> Dezember 1933 richtete sich eine Reihe von Sprengstoffanschlägen<br />

gegen Einrichtungen katholischer Vereine, Amtsgebäude <strong>und</strong> führende<br />

Personen „regimefre<strong>und</strong>licher“ Parteien, wie der Fall des Vizebürgermeisters<br />

von Wartberg im Mürztal, Ludwig Haun, zeigt. Der christlichsoziale Mandatar, der<br />

erst nach der Aberkennung der nationalsozialistischen Mandate in den Gemeinderat<br />

berufen worden war, berichtete von einer tadellosen Zusammenarbeit seiner Fraktion<br />

mit der sozialdemokratischen Mehrheit. Doch als er zum zweiten Vizebürgermeister<br />

gewählt wurde, fing der Terror an. Im Dezember 1933 wurden Haun <strong>und</strong> seine Frau<br />

Opfer von zwei vermutlich von Nationalsozialisten verübten Bombenanschlägen.<br />

Zu Weihnachten war er sogar mit seiner Frau, die einem Nervenzusammenbruch<br />

nahe war, zu Verwandten nach Wien „geflohen“. Das Ehepaar lebte in ständiger<br />

Angst vor einem neuerlichen Attentat. In einem Schreiben an das B<strong>und</strong>eskanzleramt<br />

735 Die Sylvesterbomben von Trofaiach: eine anti-marxistische Aktion der Hahnenschwänzler <strong>und</strong><br />

Hakenkreuzler. In: Arbeiter Zeitung (3.1.1933) S. 2.<br />

736 StLA ZGS (BKA) K.80/7 (Fol.91–96).<br />

737 Marxisten schießen auf Nationalsozialisten. In: Der Kampf (21.11.1931) S. 1: Die Überfälle mehren<br />

sich von Tag zu Tag. Unsere Zeitungsverkäufer werden angepöbelt, überfallen <strong>und</strong> niedergeschlagen.<br />

So war es auch am vergangenen Montag in Trofaiach. Als unser arbeitsloser Parteigenosse S. A.-<br />

Mann Zweimüller nachts heimkehrte, wurde er vor der Gartentür seiner Wohnung angeschossen.<br />

Er erhielt einen Oberschenkeldurchschuß <strong>und</strong> musste sofort ärztlicher Pflege übergeben werden. Vor<br />

einiger Zeit bereits erhielt Pg. Zweimüller einen Drohbrief, worin ihm als „Hakenkreuzler“ das „Sterben“<br />

angedroht wurde. [Fettdruck im Original, Anm.]

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