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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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234<br />

hatten sie Schuhnägel auf der B<strong>und</strong>esstraße bei Leoben gestreut, um die Motorräder<br />

von 150 italienischen „Faschisten“ bei ihrer Durchfahrt zu sabotieren. 766 Um den<br />

österreichischen Staatshaushalt zu schädigen, forderten die Nationalsozialisten ihre<br />

Anhänger <strong>und</strong> Sympathisanten per Flugblatt auf, weder Rauchwaren zu kaufen,<br />

noch Steuern einzuzahlen <strong>und</strong> jede Art von Wohltätigkeit <strong>und</strong> Mitarbeit an der<br />

von der Regierung empfohlenen wohltätigen Unternehmungen zu unterlassen. 767<br />

Bei der K<strong>und</strong>gebung der Vaterländischen Front am 1. Mai 1934 in Leoben soll sich<br />

ein Teil der Schüler des öffentlichen Gymnasiums „derart skandalös“ benommen<br />

haben, unter anderem die Söhne des Direktors der ÖAMG, August Zahlbruckner,<br />

<strong>und</strong> des evangelischen Pfarrers Spannuth, dass die Gendarmerie einschreiten musste.<br />

Insgesamt fünf Gymnasiasten, die an diesem Tag ihre „regierungsfeindliche Einstellung“<br />

offen zur Schau getragen hatten, wurden von der Schule gewiesen. Einmal<br />

mehr musste der Sicherheitsdirektor in seinem Monatsbericht feststellen, dass die<br />

Aufklärungsrate trotz aller Anstrengungen der Exekutivkräfte <strong>und</strong> der vaterländischen<br />

Verbände zu wünschen übrig lasse. 768 Aus der Perspektive der zwischen<br />

die politischen Fronten geratenen Menschen ist es jedoch allzu verständlich, dass<br />

sich viele, teils aus Angst vor der Rache illegaler Nazis, teils aus Sympathie für die<br />

NSDAP beziehungsweise aus Abneigung gegen die Regierung Dollfuß, vor einer<br />

aktiven Mithilfe scheuten.<br />

5.3.6 Eskalation im Juni <strong>und</strong> Juli<br />

Im Juni 1934 spitzte sich die Lage in der Steiermark erneut zu. Laut der Behörde wies<br />

zwar die reine Propagandatätigkeit der Nationalsozialisten einen leichten Rückgang<br />

auf, die Zahl der gewalttätigen Anschläge war jedoch „gefahrdrohend“ gestiegen.<br />

Waren in den vergangenen Monaten großteils relativ harmlose Papierböller geworfen<br />

worden, kamen im Juni überwiegend Sprengkörper mit verheerender Wirkung zum<br />

Einsatz. Schwere Schäden an Bahnanlagen, Wasserkraftwerken <strong>und</strong> Überlandleitungen<br />

sowie an Privateigentum waren die Folge. Die von der Behörde für Juni bezifferte Schadenssumme,<br />

die jene des Vormonats um das Zweieinhalbfache übertraf, spricht eine<br />

deutliche Sprache. Knapp vor dem geplanten Putsch sollte offensichtlich ungeheurer<br />

Druck auf die staatlichen Ordnungskräfte <strong>und</strong> somit auf die Regierung ausgeübt werden.<br />

Im Stadtgebiet von Leoben richtete eine Reihe von Sprengstoffanschlägen enorme<br />

Schäden an, darunter an dem Kaufhaus <strong>und</strong> der Wohnung des Regierungskommissärs<br />

Josef Weiss, dem Hotel Meran sowie dem Re demptoristenkloster 769 . Ende Mai hatte die<br />

Entfernung einer Hakenkreuzfahne von einer Starkstromleitung in Knittelfeld bereits<br />

ein Todesopfer gefordert: Beim Entfernen der Fahne war der Schutzkorpsmann Josef<br />

Peisser in den Stromkreis geraten. In Kapfenberg wurde der Kaplan Franz Eibel durch<br />

766 Chronik des BGK Leoben, 1934.<br />

767 StLA ZGS (BKA) K.85/12 (Fol.1646–1647).<br />

768 StLA ZGS (BKA) K.85/12 (Fol.1654–1661).<br />

769 Dominik Orieschnig (Hrsg.), „… geduldig <strong>und</strong> wahrhaft geistlich …“. Die Geschichte der Redemptoristen<br />

von Leoben (Leoben 2004) S. 73.

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