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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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innerparteilichen Gegensätze wirkte das im April 1930 vom Nationalrat beschlossene<br />

„Anti-Terror-Gesetz“ („zum Schutz der Arbeits- <strong>und</strong> Versammlungsfreiheit“), das<br />

gegen den von den freien Gewerkschaften angeblich ausgeübten Beitrittszwang gerichtet<br />

war. 223 Nach den Landtagswahlen im November 1930 hielten zwei neue Fraktionen<br />

Einzug in den Landtag: Der „Schoberblock“ (Nationaler Wirtschaftsblock <strong>und</strong> Landb<strong>und</strong>)<br />

<strong>und</strong> der Heimatblock mit 8 beziehungsweise 6 Mandaten. Bereits im Sommer<br />

1930 hatte die Intervention Rintelens auf B<strong>und</strong>esebene zugunsten des aus Österreich<br />

ausgewiesenen „spiritus rector“ der Heimwehr, Major Waldemar Pabst, eine Welle der<br />

Empörung seitens der Sozialdemokraten ausgelöst.<br />

Ab 1931 begann eine Phase der scharfen Auseinandersetzungen zwischen sozialdemokratischen<br />

Abgeordneten <strong>und</strong> jenen, die auf Seite der Wirtschaftstreibenden<br />

standen. Bei diesen Konflikten handelte es sich zumeist um die wirtschaftliche Not<br />

der Arbeiterschaft, die nach Meinung der Sozialdemokraten durch die „Beschäftigungspolitik“<br />

der ÖAMG (Österreichisch-Alpine Montangesellschaft), des größten<br />

steirischen Arbeitgebers, unendlich verschärft worden war. Ihr Resolutionsantrag<br />

auf Unterstützung eines B<strong>und</strong>esgesetzes, wonach eine Betriebsschließung oder<br />

-stilllegung behördlich genehmigt werden müsse, um so die Massenarbeitslosigkeit<br />

hintanzuhalten, wurde von den Heimatblockabgeordneten als „sozialdemokratische<br />

Demagogie“ gebrandmarkt <strong>und</strong> mehrheitlich abgelehnt. 224 In der akuten Phase der<br />

Wirtschaftskrise begann sich die grassierende Arbeitslosigkeit auch in den Reihen<br />

der sozialdemokratischen Partei konkret auszuwirken. Gegenüber 1931 war trotz<br />

allen Bemühens engagierter Parteifunktionäre ein Verlust von r<strong>und</strong> 900 Mitgliedern<br />

zu verzeichnen. Der weiter oben zitierte Bericht 225 über das Arbeitsjahr 1932 beklagt<br />

einleitend die furchtbare Geißel der Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> die unbeschreibliche Not<br />

der Betroffenen. In vielen, vor allem sozialdemokratischen Gemeinden sei es trotz<br />

der tristen Finanzlage gelungen, durch Fürsorgeeinrichtungen <strong>und</strong> Ausspeisungen<br />

die Not ein wenig zu lindern. Auch die politische Situation sei schwieriger geworden,<br />

wobei die reaktionäre Gefahr der faschistischen Heimwehrformationen durch<br />

die „braune Pest“ noch vergrößert werde. Im Interesse des ideologischen Kampfes<br />

lag der Parteiführung die Sicherung des Bestandes <strong>und</strong> Verbreitung der Zeitung<br />

besonders am Herzen: Viele Parteigenossen konnten sich den „Arbeiterwillen“, der<br />

als wichtigste propagandistische Waffe der Arbeiterklasse galt, nicht mehr leisten.<br />

Vor allem die Jugend hatte unter der Wirtschaftskrise schwer zu leiden: Laut diesem<br />

Bericht waren in fast allen steirischen Ortsgruppen 80 bis 90 Prozent der Mitglieder<br />

der Sozialistischen Arbeiterjugend bereits arbeitslos. Selbst aus der allgemeinen<br />

Empörung über den versuchten Staatsstreich Pfrimers vom 13. September 1931<br />

konnten die Sozialdemokraten nur kurzfristig politisches Kleingeld gewinnen. In<br />

223 Karl Stubenvoll, Zur Genesis <strong>und</strong> Funktion des „Antiterrorgesetzes“ vom 5. April 1930. In: Helmut<br />

Konrad, Wolfgang Maderthaner (Hrsg.), Neuere Studien zur Arbeitergeschichte. Zum<br />

25-jährigen Bestehen des Vereins für Geschichte der Arbeiterbewegung Bd.1 (=Materialien zur<br />

Arbeiterbewegung 35, Wien 1984) 238.<br />

224 StLA Sten. Ber. Stmk.Landtag 1931–1934, 1–65 (5.Sitzung 03.01.1931) S. 86–93.<br />

225 Bericht des Landesparteivorstandes der Sozialdemokratischen Partei Steiermarks an den Landesparteitag<br />

für das Jahr 1932 (Graz 1933).<br />

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