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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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der staatlichen Exekutive. Angeblich waren die jüngeren Offiziere des B<strong>und</strong>esheeres<br />

sowie die gesamte Gendarmerie schon „stark nationalsozialistisch durchseucht“. In<br />

dem Bericht wurde außerdem behauptet, nationalsozialistische Kreise in Judenburg<br />

seien von der Idee besessen, die Regierung Dollfuß könnte von Jugoslawien aus<br />

gestürzt werden. Als Gegenleistung für die Beseitigung des Regimes in Österreich<br />

soll Belgrad ein „restloses Aufräumen“ der Habsburgerfrage „im Sinne der kleinen<br />

Entente“ gefordert haben. 714 Die Behörde vermutete auch die Existenz einer nationalsozialistischen<br />

Zentrale 715 in der untersteirischen Stadt Marburg (Maribor), von<br />

wo aus verbotenes nationalsozialistisches Propagandamaterial sowie „Stinkmasse“<br />

über die jugoslawische Grenze geschleust wurde. Mit Duldung der jugoslawischen<br />

Behörden soll dort ein „Amt für Flüchtlingsfürsorge“ eingerichtet worden sein, wo<br />

Kontakte zu den Angehörigen nationalsozialistischer Flüchtlinge aus Österreich<br />

hergestellt werden konnten. Nach der Niederschlagung des Schutzb<strong>und</strong>aufstandes<br />

im Februar 1934 suchten die Nationalsozialisten offenbar Kontakt zu „marxistischen“<br />

Kreisen. Um diese Entwicklung zu beschleunigen, initiierten nationalsozialistische<br />

Kreise in Belgrad die Bildung einer „Sozialrevolutionären Abwehrfront“. Diese von<br />

Nationalsozialisten <strong>und</strong> „Ex-Marxisten“ betriebene <strong>und</strong> gegen die Regierung Dollfuß<br />

gerichtete „Abwehrplattform“ soll sich von Jugoslawien ausgehend in der ganzen<br />

Steiermark ausgebreitet haben. 716<br />

5.3.3 Der Kampf beginnt<br />

Im Verlauf des Monats Juli erließ die Regierung weitere Einschränkungen gegen die<br />

„regierungsfeindliche“ Propaganda. Unter anderem wurde das Tragen nationalsozialistischer<br />

„Ersatzzeichen“, wie Kornblumen <strong>und</strong> Edelweißanstecknadeln, das Leisten<br />

des „Hitler“-Grußes sowie das Absingen des Horst-Wessel-Liedes bei strengster Strafe<br />

verboten. Trotzdem wurden im Juli 1933 mehr als 80 Personen in Verbindung mit<br />

verbotener Propaganda, dem Werfen von Papierböllern <strong>und</strong> Regierungsbeleidigung<br />

verhaftet <strong>und</strong> 270 Anzeigen erstattet. Zusätzlich versuchten Nationalsozialisten im<br />

Rahmen deutschnationaler Vereine wie der „Südmark“ <strong>und</strong> dem Deutschen Turnverein<br />

Werbung zu betreiben <strong>und</strong> militärische Übungen abzuhalten; im Bezirk Leoben<br />

exerzierten Nazis in Münzenberg <strong>und</strong> auf dem Wildfeld bei Mautern. 717 Im Juni <strong>und</strong><br />

Juli 1933 verübten unbekannte Täter eine Serie von insgesamt 15 Anschlägen auf<br />

714 Die Möglichkeit einer Habsburger-Restauration wurde als wesentliches Hindernis einer Besserung<br />

der Beziehungen zwischen Belgrad <strong>und</strong> Wien betrachtet. Zur Frage der möglichen militärischen<br />

Intervention Jugoslawiens in Österreich <strong>und</strong> zur Habsburgerfrage siehe: Arnold Suppan,<br />

Jugoslawien <strong>und</strong> Österreich. 1918–1938. Bilaterale Außenpolitik im europäischen Umfeld (=Veröffentlichungen<br />

des Österreichischen Ost- <strong>und</strong> Südosteuropa-Instituts 14, Wien 1996), Kurzzitat:<br />

Suppan, Jugoslawien, S. 455–470; 1195–1196.<br />

715 StLA ZGS (BKA) K.85/12 (Fol.1638–1643).<br />

716 StLA ZGS (BKA) K.89/16 (Fol.1490–1494): Der Bericht ist leider nicht datiert, dürfte jedoch zwischen<br />

März <strong>und</strong> Juli 1934 verfasst worden sein. Zur außenpolitischen Relevanz der Frage nationalsozialistischer<br />

Flüchtlinge in Jugoslawien siehe: Suppan, Jugoslawien, S. 421–437.<br />

717 StLA ZGS (BKA) K.81/8 (Fol. 361–365; 409–431).

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