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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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in Zentren des Widerstandes wie Bruck an der Mur <strong>und</strong> Knittelfeld „regierungsfeindliche“<br />

Stimmung zu machen. 732<br />

5.3.4 Der explosive Alltag anhand von Beispielen<br />

Neben der ohnehin bangen Sorge vieler Menschen um das tägliche Brot lauerte nun<br />

die Gefahr, von einem Sprengsatz oder Knallkörper im öffentlichen Raum getroffen<br />

zu werden. Auf Straßen <strong>und</strong> Brücken, in Telefonzellen, in der Nähe von kirchlichen<br />

<strong>und</strong> staatlichen Einrichtungen, öffentlichen Transport-, Kommunikations- <strong>und</strong><br />

Stromversorgungsnetzwerken, aber auch vor oder in Privathäusern <strong>und</strong> Geschäftslokalen<br />

explodierten meist in den Abend- <strong>und</strong> Nachtst<strong>und</strong>en verschiedenste Sprengkörper<br />

oder entzündliche Stoffe, die nicht nur enorme Sachschäden, sondern auch<br />

menschliches Leid verursachten. Bei geselligen Anlässen des politischen Gegners<br />

kamen auch so genannte „Stinkphiolen“ <strong>und</strong> Tränengas als weniger gefährliche<br />

Kampfmittel häufig zum Einsatz. Die Mehrzahl solcher Aktionen konnte jedoch<br />

nie geklärt werden. Es bestand wenig Aussicht den oder die Täter zu ergreifen; die<br />

Exekutive tappte häufig im Dunkeln, schrieb die Tat jedoch auf Gr<strong>und</strong> von Erfahrungswerten<br />

einem bestimmten politischen Umfeld zu. Die Ausforschung der Täter<br />

gestaltete sich deshalb so schwierig, so Landesgendarmeriekommandant Thienel, weil<br />

„die Bevölkerung vielerorts mit den Nationalsozialisten mehr oder minder sympathisiert<br />

oder sich vor ev. Terrorakten fürchtet.“ 733 In den behördlichen Monats- <strong>und</strong><br />

Wochenberichten wurde aber auch wiederholt festgestellt, dass die Kollaboration<br />

von Anhängern der verbotenen NSDAP <strong>und</strong> des Steirischen Heimatschutzes bei der<br />

geheimen Überwachung der Exekutive die Aufklärungsarbeit erheblich erschwerte. 734<br />

• Trofaiach<br />

Sylvester 1932/1933: Plötzlich wurden Bewohner durch heftige Detonationen <strong>und</strong><br />

berstendes Glas aufgeschreckt. Schüsse krachten. Eine Serie von fünf Explosionen,<br />

die von etwa 24 Uhr bis 5 Uhr früh Verwüstungen anrichtete, hielt den halben Ort<br />

auf Trab. Die nächtliche Bilanz: Die Fensterscheiben eines Hauses im Ortszentrum,<br />

in dem sich ein von r<strong>und</strong> 100 Gästen besuchtes Kaffeehaus befindet, sowie die des<br />

benachbarten Rathauses gingen zu Bruch. Bei einer Explosion am Rossmarktplatz<br />

wurden viele Fensterscheiben der umliegenden Häuser zertrümmert. Der letzte<br />

Sprengsatz galt der Gendarmeriekaserne, die zu dieser Zeit glücklicherweise unbesetzt<br />

war. Insgesamt wurden mehr als 100 Fensterscheiben beschädigt. Wie durch<br />

ein W<strong>und</strong>er kamen keine Menschen zu Schaden. In Trofaiach <strong>und</strong> anderswo gingen<br />

die Wogen hoch. Wer war dafür verantwortlich? Von den verschiedenen Parteiorganen<br />

wurde ein gezielter Anschlag des jeweiligen politischen Gegners vermutet. Die<br />

„Arbeiter Zeitung“ berichtete, dass nach den ersten Explosionen Zettel im ganzen<br />

732 StLA ZGS (BKA) K.83/10 (Fol.1198–1212; 1172–1174).<br />

733 StLA ZGS (BKA) K.81/8 (Fol.316).<br />

734 StLA ZGS (BKA) K.82/9 (Fol.787); K.84/11 (751–753).<br />

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