Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt
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matschutz jede Betätigung. 410 Einem Bericht des deutschen Konsuls in Graz zufolge<br />
verfügte der illegale Steirische Heimatschutz im März 1934 noch über 12.000 Mann<br />
allein in der Steiermark <strong>und</strong> stand mit der NSDAP „in engen Beziehungen“. 411 Diese<br />
Angaben decken sich mit jenen des LGK im Mai 1933, wonach der Steirische Heimatschutz<br />
über mehr als 15.000 Mitgliedern in insgesamt 186 Ortsgruppen verfügt<br />
haben soll. Seit dem Abkommen mit der NSDAP, hieß es, seien r<strong>und</strong> 3000 Mitglieder<br />
„abgefallen“, wovon sich der Großteil dem Starhemberg’schen (Österreichischen)<br />
Heimatschutz angeschlossen habe. 412<br />
Die Frage der Wiederverwertung der Putschpläne 1931 bei dem Naziputsch im<br />
Juli 1934 in der Steiermark taucht immer wieder in der historischen Forschung auf,<br />
kann jedoch nicht eindeutig beantwortet werden. In seiner ausführlichen Studie<br />
kommt Kurt Bauer zu dem Schluss, dass auffallende Ähnlichkeiten in den Operationsplänen<br />
der beiden Putschversuche auf eine solche Möglichkeit hinweisen, zumal<br />
die ehemaligen Heimatschutzführer Konstantin Kammerhofer – dieser hatte den<br />
Steirischen Heimatschutz im April 1933 ins nationalsozialistische Lager geführt<br />
– <strong>und</strong> August Meyszner als SA-Brigadeführer maßgebliche militärische Kompetenzen<br />
besaßen. In seiner neuesten Analyse stellt Staudinger fest, dass das angestrebte<br />
Bündnis zwischen dem Steirischen Heimatschutz <strong>und</strong> der NSDAP letztlich zu einer<br />
personellen <strong>und</strong> militärischen Verschmelzung der beiden Organisationen führte.<br />
Im Rahmen der Venediger Absprache vom 23. November 1933 wurde das bereits<br />
im Liezener Abkommen vereinbarte wechselseitige Entsenden von Führungspersonal<br />
in die jeweiligen Stabsstellen der bewaffneten Formationen ausgebaut <strong>und</strong><br />
abgeschlossen. Die Stäbe von SA <strong>und</strong> Heimatschutz wurden zusammengeführt <strong>und</strong><br />
die in militärischer Hinsicht überlegenen Heimatschutz-Formationen geschlossen<br />
in die SA eingegliedert. 413 In einer späteren Aussage behauptete der Führer der<br />
SA-Standarte 5, Berndt von Gregory, die „alten Richtlinien“ des seinerzeitigen<br />
Aufstandes seien mit einigen Ausnahmen für den NS-Putsch wiederverwertet<br />
worden. 414 Was jedoch den Putschisten 1931 nach den Kampfhandlungen gegönnt<br />
war, nämlich sich in Ruhe zurückzuziehen sowie ihre Waffen in Sicherheit zu<br />
bringen, blieb den Juli-Putschisten auf Gr<strong>und</strong> des raschen Einsatzes aller Regierungskräfte<br />
verwehrt. Die Heftigkeit des Juliputsches in Teilen der Steiermark kann<br />
vor allem auch auf die starke Präsenz der ehemaligen Heimatschützer <strong>und</strong> deren<br />
Führer in den Reihen der Nationalsozialisten zurückgeführt werden. Besonders<br />
410 http://alex.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?apm=0&aid=bgb&datum=19330004&seite=0000056<br />
9&zoom=2, 14.10.2009.<br />
411 StLA MF Akten des Dt. Konsulats P7/Bd.37/C1/Pol.III-1935 („kleine Meldungen Nr.3“, 3.3.1934):<br />
Demgegenüber steht die von den Nationalsozialisten im Jänner 1934 angegebene Zahl von 2200<br />
Heimatschützern, welche allerdings vom steirischen Sicherheitsdirektor als „zu niedrig“ eingeschätzt<br />
wird (Bauer, Elementarereignis S. 37–38).<br />
412 StLA ZGS (BKA) K.81/8 (Fol.166–176).<br />
413 Eduard G. Staudinger, Pfrimer-Putsch 1931 <strong>und</strong> NS-Putsch 1934. Aspekte einer Beziehungsgeschichte.<br />
In: Margit Franz, Heimo Halbrainer, Gerald Lamprecht u.a. (Hrsg.), Mapping Contemporary<br />
History. Zeitgeschichten im Diskurs (Wien/Köln/Weimar 2008) S. 311–319.<br />
414 Schafranek, Sommerfest, S. 15, 26: Berndt von Gregory (geb.1904 in Trebus, Oberlausitz) verfasste<br />
die obige Darstellung nach seiner Flucht ins Flüchtlingslager Varaždin.<br />
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