Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt
Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt
Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
60<br />
selbst. 158 Langfristig kann der Pfrimer-Putsch als Auftakt zu einer weiteren Radikalisierung<br />
des politischen Klimas, zu einer Unterhöhlung der staatlichen Ordnung 159<br />
bis hin zum endgültigen Verlust der Demokratie in Österreich gewertet werden. Als<br />
bestimmender Machtfaktor in der obersteirischen Industrieregion gilt die Österreichische<br />
Alpine-Montan AG, das größte inländische Industrieunternehmen in der<br />
Ersten Republik, das seine Fäden ausgehend von den Schaltstellen des Konzerns im<br />
In- <strong>und</strong> Ausland bis in die feinsten Äderchen des Unterbaues spann. In ihrer aufwändig<br />
recherchierten Forschungsarbeit „Heisses Eisen“ zeigt Barbara Schleicher<br />
auf, wie der Industrieriese die wirtschaftliche <strong>und</strong> politische Entwicklung der Region<br />
<strong>und</strong> darüber hinaus beeinflusste. 160<br />
3.2 Die obersteirische Industrieregion<br />
3.2.1 Topographie der Region – ein Überblick<br />
Die Steiermark, mit einer Fläche von r<strong>und</strong> 16.300 Quadratkilometern das zweitgrößte<br />
B<strong>und</strong>esland Österreichs, lässt sich grob in zwei ungleich große Teile gliedern:<br />
das südöstliche Alpenvorland (Ost-, West-, Südsteiermark <strong>und</strong> Grazer Becken samt<br />
Umland) mit r<strong>und</strong> 3800 Quadratkilometern sowie die flächenmäßig wesentlich<br />
größere Gebirgszone im Norden <strong>und</strong> Nordwesten des Landes, die „Alpine Steiermark“,<br />
auch Obersteiermark genannt. Der obersteirische Raum besteht großteils<br />
aus Gebirgslandschaften mit Flusstälern, Gräben <strong>und</strong> Passhöhen. Die obersteirische<br />
Industrieregion umfasst im Wesentlichen die zwei großen Flusstäler entlang der alten<br />
Verkehrslinie Wien-Venedig, die so genannte Mur-Mürz-Furche. 161 Das Mürztal<br />
verläuft in nordost-südwestlicher Richtung von Mürzzuschlag bis Kapfenberg <strong>und</strong><br />
Bruck an der Mur; das obere Murtal erstreckt sich etwa in nordwest-südöstlicher<br />
Richtung von der salzburgischen Grenze über Murau, Judenburg, Leoben bis Bruck<br />
158 Dazu trugen die Printmedien kräftig bei: Das zusammengebrochene faschistische Abenteuer. In:<br />
Arbeiterwille (15.9.1931) S. 2: Pfrimer ist zum Teufel gejagt, der Spuk ist aus. Aber (…) die Ausgabe<br />
meldet die Ermordung eines Arbeiters. Wieder ein Opfer der faschistischen Bluth<strong>und</strong>e. Wieder<br />
musste ein braver Arbeiter sein Leben lassen, feige gemordet von den Söldnern des Kapitals; Auswirkungen<br />
des 13. September. Aufregung über die fortgesetzten Verhaftungen. In: Obersteirerblatt<br />
(19.9.1931) S. 5: Die andauernden Verhaftungen von Heimatschützern haben in der nichtmarxistischen<br />
Bevölkerung große Erregung ausgelöst: Man zieht einen Vergleich mit dem Vorgehen der<br />
Behörden nach dem 15. Juli 1927 <strong>und</strong> dem jetzigen <strong>und</strong> man kommt zu dem Ergebnisse, daß mit<br />
zweierlei Maß gemessen wird.<br />
159 Pfrimer wurde von einem Geschworenengericht vom Vorwurf des Hochverrates freigesprochen,<br />
obwohl er zum Sturz der Regierung <strong>und</strong> zur gewaltsamen Umänderung der B<strong>und</strong>esverfassung aufgerufen<br />
hatte <strong>und</strong> damit einen Bürgerkrieg ausgelöst hätte, wobei die für den Angeklagten günstige<br />
Zeugenaussage des Landeshauptmannes Rintelen eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben<br />
dürfte. Siehe: Josef Hofmann, Der Pfrimer-Putsch. Der steirische Heimwehrprozeß des Jahres<br />
1931 (Wien/Graz 1965) S. 84–90.<br />
160 Schleicher, Heisses Eisen.<br />
161 Wilhelm Leitner, Die Steiermark – eine Regionalgeographie. In: Österreich in Geschichte <strong>und</strong><br />
Literatur (ÖGL) 19 (1975) 234–236; siehe auch: Herbert Paschinger, Die Steiermark. Lebens- <strong>und</strong><br />
Wirtschaftsräume im Strukturwandel. In: ÖGL 30 (1986) 150–162.