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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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Gegenden mit einem hohen Anteil an nationalsozialistischen Sympathisanten, bei<br />

der Behörde als „Hochburgen“ 711 bekannt, waren sie beinahe Tag <strong>und</strong> Nacht mit<br />

der Terrorfahndung beschäftigt. Kaum war der eine oder andere Schaden beseitigt,<br />

die Ermittlungen noch im Laufen, ereigneten sich schon die nächsten Fälle.<br />

Die Exekutive stand vor der fast aussichtslosen Aufgabe, dem atem- <strong>und</strong> kräfteraubenden<br />

Treiben der illegalen, von Idealismus erfüllten Nationalsozialisten Einhalt<br />

zu gebieten. Zur effizienteren Koordinierung des landesweiten Sicherheitsdienstes<br />

wurden daher Sicherheitsdirektoren für jedes B<strong>und</strong>esland mit Ausnahme von Wien<br />

bestellt. 712 In der zweiten Jahreshälfte 1933 konnte die Aktivität der illegalen NSDAP<br />

in der Steiermark jedenfalls nicht wirksam eingedämmt werden, sondern erreichte<br />

im November <strong>und</strong> Dezember neue Rekorde. Der Nationalsozialismus ähnelte einer<br />

Krankheit, der mit gewöhnlicher „Behandlung“ nicht beizukommen war. Die verbotenen<br />

Parteien entwickelten subversive Netzwerke, wussten ihre Anhängerschaft<br />

über geheime Kanäle zu organisieren <strong>und</strong> mit Propagandamaterial zu versorgen. In<br />

einem Bericht des LGK an den Sicherheitsdirektor wurde die Existenz eines geheimen<br />

Nachrichtendienstes der Nationalsozialisten vermutet, der für eine lückenlose<br />

Überwachung der diensthabenden Gendarmen <strong>und</strong> Sicherheitsorgane mittels verschiedener<br />

Signale sorgte. Durch die gegenseitige Verständigung konnten jene in<br />

verschiedenen Ortsteilen postierten Täter die Gendarmen überlisten <strong>und</strong> so ihre<br />

Agitation ungehindert fortsetzen. 713 Im Nachhinein schienen sich jene Vermutungen<br />

zu bestätigen. Im Frühjahr 1934 erlangte das B<strong>und</strong>eskanzleramt Kenntnis von der<br />

geheimen Zusammenarbeit der steirischen Nationalsozialisten mit dem ehemaligen<br />

Steirischen Heimatschutz, der über einen „bestens organisierten politischen <strong>und</strong><br />

militanten Funktionärsapparat“ verfügte. Laut einem Informantenbericht hatten<br />

Funktionäre der verbündeten Organisationen ein gut gehendes Netzwerk von Zentralstellen<br />

in der Steiermark (Graz, Judenburg <strong>und</strong> Schlad ming) <strong>und</strong> in Jugoslawien<br />

aufgebaut, von wo aus die illegale NSDAP bei ihrem Kampf gegen den österreichischen<br />

Staat unterstützt werden sollte. Hierbei soll der Bezirk Judenburg als nationalsozialistische<br />

Drehscheibe für Kontakte zwischen Steiermark <strong>und</strong> Kärnten sowie<br />

auch zu Jugoslawien fungiert haben. Zwischen Judenburg <strong>und</strong> dem knapp südlich der<br />

österreichischen Staatsgrenze liegenden Ort Unterdrauburg (Dravograd) wurde ein<br />

„ausschließlich von Slowenen“ getragener Kurierdienst eingerichtet, der die illegale<br />

NSDAP stets auf dem Laufenden hielt. Aus nationalsozialistischen Kreisen wusste<br />

der Informant zu berichten, dass ein Teil der Behörden die illegale Tätigkeit der<br />

NSDAP so gut decke, dass beteiligte Personen vor „amtlichen Maßnahmen“ immer<br />

rechtzeitig gewarnt würden. Nicht der „Terror“ sei die Hauptaufgabe der NSDAP <strong>und</strong><br />

ihres Bündnispartners, hieß es, sondern vielmehr die „systematische Zersetzung“<br />

711 Wie beispielsweise die Gegend um Schladming; Leoben, Stainz, Leibnitz <strong>und</strong> Trofaiach.<br />

712 Helmut Gebhardt, Die Gendarmerie in der Steiermark von 1850 bis heute (Graz 1997), Kurzzitat:<br />

Gebhardt, Gendarmerie, S. 256–257: In der Steiermark übernahm Oberst Ferdinand Pichler von<br />

Juni bis Dezember 1933 das Amt; im Jänner 1934 folgte ihm Oberst Franz Zelburg. Dieser übernahm<br />

auch die Funktion des seit 1921 als Landesgendarmeriekommandant amtierenden Oberst<br />

Ernst Thienel.<br />

713 StLA ZGS (BKA) K.82/9 (Fol.847–848).<br />

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