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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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132<br />

abermals im Juli 1927, als der sozialdemokratische Streik in der Steiermark durch<br />

Androhung von <strong>Gewalt</strong> beendet wurde. Zwischen diesen Ereignissen trat relative<br />

Ruhe ein, doch unter der Oberfläche schwelte die Nachkriegsw<strong>und</strong>e weiter. Im April<br />

1923 reagierte die Sozialdemokratie auf Waltersdorf mit der Gründung des Republikanischen<br />

Schutzb<strong>und</strong>es als Ersatz für die Arbeiterwehren <strong>und</strong> stattete ihn mit<br />

Waffen aus. Auch sollte ein Gegengewicht zur österreichischen Streitmacht geschaffen<br />

werden, die seit dem Bruch der Koalition 1920 nicht mehr unter der politischen<br />

Kontrolle der Sozialdemokratie stand, sondern unter dem christlichsozialen Heeresminister<br />

Carl Vaugoin zu einer „bürgerlichen“ Armee umfunktioniert werden sollte.<br />

Für Spannungen sorgte das Anfang November 1926 erschienene „Linzer-Programm“<br />

der Sozialdemokratie, das von den bürgerlichen Parteien als Kampfansage aufgefasst<br />

wurde; im Jänner darauf fielen die Schüsse von Schattendorf, die den Brand des<br />

Justizpalastes im Sommer 1927 indirekt auslösten. 387<br />

Mit der Begründung der Unabhängigen Gewerkschaft im Frühjahr 1928 gelang<br />

es dem Steirischen Heimatschutz erheblichen Druck auf die freigewerkschaftlich<br />

organisierte Arbeiterschaft in der obersteirischen Industrieregion auszuüben. 388 Ein<br />

Blick in die personelle Zusammensetzung einiger obersteirische Ortsgruppen verrät<br />

deren Verquickung mit den lokalen Betrieben der ÖAMG. Mit der Gründung der<br />

ersten Ortsgruppe in Donawitz <strong>und</strong> der planmäßigen Bildung weiterer Ortsgruppen<br />

der „Unabhängigen Gewerkschaft“ verfolgten die industriellen Geldgeber eine<br />

offensive Strategie der vollständigen politischen <strong>und</strong> sozialen Kontrolle der Industriearbeiterschaft.<br />

389<br />

der Verhaftung der Rädelsführer sammelten sich tausende großteils bewaffnete Demonstranten<br />

in Judenburg, die zunächst das Bezirksgericht, dann den Gendarmerieposten belagerten. Daraufhin<br />

alarmierte der damalige Gend. Abteilungskommandant August Meyszner den freiwilligen<br />

„Selbstschutz“ des oberen Murtales, der mit 400 Mann aus Murau <strong>und</strong> Umgebung nach Grünhübl<br />

bei Judenburg einrückte. Der Konflikt wurde schließlich durch eine Vereinbarung beendet, dass<br />

beide bewaffneten Streitteile sich „unverzüglich wieder an ihre Arbeitsplätze zu begeben hätten“.<br />

Doch sei es zu keiner wirklichen Befriedung gekommen, so Sperlich, denn jede Seite habe sich für<br />

eine allfällige Wiederholung gerüstet. Die „hochgezüchtete Klassenkampfideologie“ habe seiner<br />

liebenswerten Heimat auf Jahre hinaus geschadet: „Hie überheblicher oft unsozialer Standesdünkel<br />

der sogenannten ‚Bürgerlichen‘, dort das vor Hass- <strong>und</strong> Neidparolen strotzende Proletariertum“.<br />

Sperlich zufolge bestand der „Selbstschutz“ aus ehemaligen Frontsoldaten, der ursprünglich<br />

als freiwillige Gendarmerieassistenz bei Unruhen eingesetzt werden sollte. Erst nach Waltersdorf<br />

habe sich der „Steirische Heimatschutz“ unter Walter Pfrimer entwickelt: StLA ZGS K.262: Verschiedenes<br />

(1922–): „Der Krisenmonat November 1922 in Judenburg“; siehe auch Chronik des<br />

LGK Judenburg Bd.1.<br />

387 Pauley, Hahnenschwanz S. 40–48; ÖHJ 1933, S. 55–63.<br />

388 Heimatschutz in Österreich (Wien 1934) S. 300. In den Quellen werden verschiedene Gründungsdaten<br />

der UG angegeben, u.a. Jänner, Februar <strong>und</strong> Mai 1928. Eduard Staudinger nennt den 19. Mai<br />

1928 als das in den Satzungen der UG angegebenes Datum, siehe: Eduard Staudinger, „Unabhängige<br />

Gewerkschaft“ <strong>und</strong> Arbeiterschaft in der Obersteiermark 1927 bis 1933. In: Geschichte <strong>und</strong><br />

Gegenwart 1 (1985) 54.<br />

389 Diese Frage wird ganz ausführlich behandelt in: Otto Hwaletz, Helmut Lackner, Josef Mayer<br />

u.a., Bergmann oder Werkssoldat. Eisenerz als Fallbeispiel industrieller Politik. Dokumente<br />

<strong>und</strong> Analysen über die Österreichisch-Alpine Montangesellschaft in der Zwischenkriegszeit (Graz<br />

1984) sowie von Barbara Schleicher, Heisses Eisen. Zur Unternehmenspolitik der Österreichisch-Alpine<br />

Montangesellschaft in den Jahren 1918–1933 (Frankfurt am Main 1999).

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