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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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endet, erntet begeisterten Zuspruch <strong>und</strong> tosenden Beifall. Der Polizeiinformant<br />

vermerkt noch, dass sich der sozialdemokratische Grazer Bürgermeister Muchitsch<br />

<strong>und</strong> sein Stellvertreter Rückl das Spektakel nicht entgehen ließen. 828<br />

5.4.1.3 Zusammenfassung<br />

Obwohl die Regierung Buresch Sofortmaßnahmen zur Niederschlagung des Putsches<br />

<strong>und</strong> zur Ergreifung der Hauptverantwortlichen ankündigte, kam es zu Verzögerungen<br />

<strong>und</strong> Versäumnissen, die dazu führten, dass große Mengen an Waffen<br />

wieder in ihre Verstecke zurückwanderten <strong>und</strong> die Rädelsführer ins Ausland flüchten<br />

konnten. In der darauffolgenden Pressekampagne des politischen Gegners wurden<br />

Landeshauptmann Rintelen, Teile der Exekutive <strong>und</strong> der ÖAMG eines Komplottes<br />

gegen die Arbeiterschaft bezichtigt. Minister Winkler gab sogar zu, „nicht mit der<br />

erforderlichen Energie“ vorgegangen zu sein. Dennoch wurden mehr als 100 Personen<br />

in der ersten Woche verhaftet sowie die am Putsch beteiligten Beamten <strong>und</strong><br />

öffentlichen Bediensteten vom Dienst suspendiert. 829 Die Internierung der Insurgenten<br />

rief wiederum die Empörung des bürgerlichen Lagers hervor, das eine ungerechtfertigte<br />

Härte der Behörden gegenüber „angesehenen“ Menschen ortete, verglichen<br />

mit dem Brucker Aufstand im Juli 1927, als die seinerzeitigen „Hochverräter (…)<br />

nicht einen Tag gesessen waren“. 830 Ein Stimmungsumschwung setzte ein <strong>und</strong> prominente<br />

steirische Heimatschützer wie der Judenburger Apotheker Friedrich Odelga<br />

oder Graf Barthold Stürgkh aus Halbenrain wurden bald zu Justizopfern gemacht.<br />

Entsprechend triumphal wurden die aus der Haft entlassenen Männer anlässlich<br />

ihrer Rückkehr gefeiert. In Leoben beispielsweise wurden zwei Heimatschutzführer<br />

von drei Musikkapellen <strong>und</strong> bis zu 3000 Personen am Bahnhof begrüßt; abends fand<br />

in Donawitz ein Empfang zu Ehren der Enthafteten statt. Laut einer Telefondepesche<br />

der Gendarmerie gestaltete sich der Empfang zu einer begeisterten K<strong>und</strong>gebung für<br />

den Heimatschutz. (…) Im ganzen steirischen Oberland herrscht für den Heimatschutz<br />

eine ungeheure Begeisterung <strong>und</strong> wurden in den letzten Tagen über 1000 neue<br />

Mitglieder angeworben. 831<br />

Starhemberg, der sich laut eigenen Angaben vom Putsch distanziert hatte, aber<br />

dennoch verhaftet wurde, war diese Entwicklung offenbar nicht entgangen. In einer<br />

Massenveranstaltung Anfang Oktober in der Grazer Industriehalle verteidigte er<br />

jedenfalls Pfrimer als „einen der schneidigsten Kämpfer gegen die Korruption“ <strong>und</strong><br />

griff den oberösterreichischen Landeshauptmann Schlegl heftig an, weil dieser „im<br />

Verein mit den Sozialdemokraten“ auf die Heimatschützer „losgegangen“ war. Er<br />

828 StLA ZGS (BKA) K.78/5 (Fol.128–130).<br />

829 Jedlicka/Neck, Justizpalast/Dokumente Nr.13 <strong>und</strong> 15, S. 323; 327–328.<br />

830 Eine von der „Nationalen Arbeitsgemeinschaft“ am 17. November 1931 verfasste Eingabe zugunsten<br />

der verhafteten Putschisten beklagte deren diskriminierende Behandlung <strong>und</strong> völlige wirtschaftliche<br />

Zerrüttung: Jedlicka/Neck, Justizpalast/Dokument Nr.17, S. 331–332.<br />

831 ÖStA AdR Ktn.4871 BKA Inneres 22/gen 1932 Heft „Steiermark mit 9 Sonderbeilagen“<br />

(GZ 198.293/Telephondepesche des LGK Graz vom 21.9.1931 um 19 Uhr 10).<br />

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