11.09.2012 Aufrufe

Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Organisation verdächtigten Leobeners, dem er bei einem arrangierten Treffen<br />

vorgab, eine Verbindung mit den obersteirischen SAJ-Gruppen herstellen zu wollen.<br />

Auch dieser fasste zu Bahr rasch Vertrauen, nachdem er sich von der Richtigkeit<br />

der Angaben Bahrs zu den Eggenberger Verhältnissen überzeugt hatte.<br />

Alsbald wurde der Gendarm als „Neukommunist“ in den engeren Führungskreis<br />

der Leobener Kommunisten eingeweiht <strong>und</strong> konnte so seinen Vorgesetzten wertvolle<br />

Informationen zur illegalen Organisation <strong>und</strong> deren nächsten Vorhaben<br />

liefern. Der Informant Bahrs, seines Zeichens Organisationsleiter in Leoben, gab<br />

Folgendes an:<br />

• Im Juli 1934 verfügte die Leobener Organisation über einen „wehrfähigen Stand“<br />

von 500 Kommunisten <strong>und</strong> umfasste den Wirkungskreis: Leoben <strong>und</strong> Umgebungsorte,<br />

Murtal aufwärts bis Murau <strong>und</strong> über Eisenerz bis Hieflau. Die KP<br />

in Leoben stand in direkter Verbindung mit dem Zentralkomitee in Wien, das<br />

Weisungen unter einer Deckadresse erteilte.<br />

• Die Aktivisten bildeten so genannte Fünferzellen. Die Mitglieder einer solchen<br />

Zelle kannten sich untereinander nicht, sondern unterstanden einem sechsten<br />

Mann, den sie angeblich auch nicht kannten. Fünf dieser Fünferzellen bildeten<br />

wiederum eine Einheit, deren Führer sich nicht kannten <strong>und</strong> ihrerseits einem<br />

Zellenleiterkommandanten unterstanden. Diese seltsame Hierarchie sollte die<br />

Gesamtorganisation bei Auffliegen einer einzelnen Zelle, was sich in Leoben<br />

tatsächlich ereignet hatte, vor der Preisgabe schützen.<br />

• Die oberste Leitung bestand aus einem Organisationsleiter, dem Propagandaleiter<br />

<strong>und</strong> dem politischen Leiter mit ihren Stäben (technische Truppe, Journalisten,<br />

illegale Verbindungsmänner)<br />

• Hauptaugenmerk der KP-Führer in der Industrieregion war die politische Vereinnahmung<br />

der Eisenbahner, der Arbeiterschaft in den Betrieben der ÖAMG<br />

<strong>und</strong> des Schutzb<strong>und</strong>es<br />

• Der Organisationsleiter behauptete, über große Mengen Sprengstoff <strong>und</strong> Waffen<br />

zu verfügen. Nach der Februar-Niederlage waren die Schutzb<strong>und</strong>waffen großteils<br />

erhalten geblieben <strong>und</strong> lagerten in ihren früheren Verstecken. Im Jahr 1935<br />

sollte die Revolution kommen. Es existierte eine „schwarze Liste“ mit Namen<br />

von Gesinnungsgegnern, die ermordet werden sollten.<br />

Ob jene Information, die man Bahr zukommen ließ, vollinhaltlich stimmte, kann<br />

nicht mehr nachgeprüft werden. Fest steht, dass der eifrige Spion kurze Zeit später<br />

von einem Kommunisten aus nächster Nähe angeschossen <strong>und</strong> schwer verletzt<br />

wurde. Vermutlich wollte man sich an dem so smarten Gendarmen rächen. 303<br />

303 StLA ZGS (BKA) K.89/16 (Fol.810–816); K.86/13 (Fol.39–42).<br />

107

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!