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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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224<br />

in München, registrierte die Behörde einen Höhepunkt an Aktivitäten der verbotenen<br />

NSDAP: Auf Anhöhen wurden Feuer in Hakenkreuzform angezündet <strong>und</strong><br />

schwimmende Hakenkreuze auf Flüssen ausgesetzt, Hakenkreuzfahnen gehisst,<br />

bei Kriegerdenkmälern Kränze mit Hakenkreuzschleifen niedergelegt, gestanzte<br />

Hakenkreuze in den Straßen gestreut <strong>und</strong> Papierböller zur Explosion gebracht. 725<br />

Die von der Regierung am 10. November eingeführte Todesstrafe im Standrechtsverfahren<br />

726 beantworteten die Nationalsozialisten mit einem Flugblatt, auf dem die<br />

berühmten Worte aus dem Lukas-Evangelium wie eine Drohung klangen: „Richtet<br />

nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“. 727 Dazu kam eine immer größer werdende<br />

Zahl an jungen Männern, die meisten davon in der Altersgruppe zwischen 18 <strong>und</strong> 33<br />

Jahren, die aus der Steiermark nach Deutschland „auswanderten“; bis Ende November<br />

1933 waren es beinahe 600 Personen. 728 Wie der Fall Ernst H. zeigt, wurden jene,<br />

die es wagten, Österreich den Rücken zu kehren, mit der vollen Härte des Gesetzes<br />

bestraft. Kraft der Verordnung vom 16. August 1933, BGBl. Nr. 369 wurde dem<br />

1912 in Wasendorf bei Judenburg Geborenen die Landes- <strong>und</strong> B<strong>und</strong>esbürgerschaft<br />

wegen „unbefugten Begebens“ ins Ausland in absentia aberkannt. Wie viele andere<br />

vor <strong>und</strong> nach ihm war auch Ernst H. ohne Bewilligung ins „Deutsche Reich“ ausgereist.<br />

Allfälliges vorhandenes Vermögen der Geflohenen wurde von der Behörde<br />

per Bescheid beschlagnahmt. 729<br />

Auch die Sozialdemokratie geriet immer mehr unter den Druck der Regierungsparteien<br />

<strong>und</strong> musste sich von der nun illegalen KPÖ als Totengräber der Arbeiterbewegung<br />

beschimpfen lassen. 730 Im Landtag protestierte die sozialdemokratische<br />

Fraktion gegen das von der Regierung verfügte Kolportierverbot sozialdemokratischer<br />

Zeitungen, was zu einer Verzögerung der Sistierung aller politischen Mandate<br />

der verbotenen Parteien KPÖ, NSDAP <strong>und</strong> des Heimatblocks führte. 731 Im Herbst<br />

1933 meldeten die Behörden auch eine verstärkte Verbreitung sozialdemokratischer<br />

Schmähschriften, hauptsächlich in Form von Flugzetteln, sowie das Aufmalen <strong>und</strong><br />

Abbrennen von „Drei-Pfeile“-Zeichen in den obersteirischen Arbeiter- <strong>und</strong> Industriebezirken.<br />

Die Propaganda richtete sich gegen die Regierung <strong>und</strong> rief zum Generalstreik<br />

auf. Wie bereits im Abschnitt über die Entwicklung der Parteien in der<br />

obersteirischen Industrieregion beschrieben, war es spätestens seit dem Verbot des<br />

Schutzb<strong>und</strong>es zur Bildung eines radikalen Flügels der Jungsozialisten gekommen,<br />

der Sympathien für die Idee einer Fusion mit der KPÖ hegte <strong>und</strong> Plänen für einen<br />

Schutzb<strong>und</strong>aufstand sehr positiv gegenüber stand. Obwohl sich die KPÖ seit ihrem<br />

Verbot im Niedergang befand, gelang es kommunistischen Aktivisten hier <strong>und</strong> da,<br />

725 StLA ZGS (BKA) K.82/9 (Fol.368); K.83/10 (1189–1196).<br />

726 Die Todesstrafe wurde bei „Mord, Brandlegung, öffentliche <strong>Gewalt</strong>tätigkeit durch boshafte Beschädigung<br />

fremden Eigentums“ angedroht: http://alex.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?apm=0&<br />

aid=bgb&datum=19330004&seite=00001395, 18.12.2009.<br />

727 StLA ZGS (BKA) K.83/10 (Fol.1190).<br />

728 StLA ZGS (BKA) K.83/10 (Fol.811–817).<br />

729 StLA ZGS (BKA) K.82/9 (Fol.530–531).<br />

730 StLA ZGS (BKA) K.81/8 (Fol.443–444): Demonstriert am 1. August! KPÖ.<br />

731 Keine Abstimmung über den Antrag auf Aberkennung der Mandate der NSDAP., des Heimatblocks<br />

<strong>und</strong> der Kommunisten. In: Obersteirische Volkszeitung (18.7.1933) S. 1.

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