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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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Den Auftakt dazu bildete ein Zusammenstoß bei der Fahnenweihe des christlichsozialen<br />

Arbeitervereines in Zeltweg im Mai 1922, als demonstrierende Sozialdemokraten<br />

den Festzug unterbrachen <strong>und</strong> zahlreiche Fahnen beschädigten. Im November<br />

desselben Jahres trug eine nächtliche Waffensuche, die von Arbeitern bei einigen<br />

Bauern in Waltersdorf bei Judenburg überfallsartig vorgenommen wurde, zu einer<br />

weiteren Belastung der Beziehungen bei. 590 Wie aufgeladen das politische Klima war,<br />

zeigt der bereits ein Jahr zuvor auf Landeshauptmann Rintelen verübte spektakuläre<br />

Überfall, als er bei einer christlichsozialen Versammlung in St. Lorenzen im Mürztal<br />

von wütenden Arbeitern attackiert <strong>und</strong> aus dem Fenster gestürzt wurde. Rintelen<br />

wurde für die im Juni 1920 beim Grazer „Kirschenrummel“ getöteten Menschen<br />

verantwortlich gemacht. 591<br />

Neben den Kommunisten bildeten die Nationalsozialisten mit ihrem militanten<br />

Antisemitismus einen weiteren Unruheherd. Im Mai 1923 berichtete die Polizei von<br />

Reibereien zwischen „Arbeitern“ <strong>und</strong> Anhängern der DNSAP. Nach einer Versammlung<br />

der Grazer „National-Sozialen“ im Gasthof „zu den Dreihacken“ wurde die Ordnertruppe<br />

der „Hakenkreuzler“, die in bewusst provokanter Aufmachung durch das<br />

Arbeiterviertel Lend marschiert war, von etwa 20 Arbeitern verfolgt. Anschließend<br />

zwangen sie einen der Nationalsozialisten, die Parteifahne in die Mur zu werfen. Aus<br />

der Sicht des „Arbeiterwillen“ stellten die Nationalsozialisten bewaffnete Banditen<br />

dar, die auf Arbeiter schießen durften: Die Mörder eines Liebknecht (…) wurden als<br />

Befreier des Volkes von den jüdischen Schweinen <strong>und</strong> der jüdischen Pest gefeiert. Als<br />

der Redner in jener Grazer Versammlung schließlich erklärte, man werde sich des<br />

Genossen Deutsch bemächtigen, um ihn als Geisel festzuhalten, applaudierten die<br />

Anwesenden stürmisch <strong>und</strong> forderten: Aufhängen, kastrieren, abschlachten, Judenschwein.<br />

Bei einer nationalsozialistischen Versammlung im weststeirischen Voitsberg<br />

im November desselben Jahres konnte die Feuerwehr einen Zusammenstoß nur<br />

durch den Einsatz eines Wasserwerfers verhindern. Nach der anschließenden Erstürmung<br />

des Lokals nahm die Gendarmerie den Versammelten ungefähr 40 Waffen<br />

ab. 592 Die nationalsozialistische Presse wertete diesen Vorfall als „Vergewaltigung“<br />

ihrer Versammlung durch die von einer sozialdemokratischen Gemeinde gelenkte<br />

Feuerwehr. Solche Vergewaltigungen durch die Sozialdemokraten seien nicht selten,<br />

klagte das Blatt, wie jüngst in Fürstenfeld, als der Auftritt des Parteigenossen<br />

Suchenwirth durch die Besetzung des Saales <strong>und</strong> den „wüsten verleumderischen<br />

Redeschwall“ der Sozialdemokraten vereitelt worden war. 593 Selbst während der darauffolgenden<br />

relativ ruhigen Phase bis 1926 sorgten die Versammlungen <strong>und</strong> Aufmärsche<br />

der Nationalsozialisten, die nicht selten durch einen Einsatz der Exekutive<br />

beendet wurden, immer wieder für Aufsehen. 594<br />

590 Chronik des BGK Judenburg, Bd.1/1922.<br />

591 StLA ZGS (BKA) K.74/1 (Fol.288–294); Botz, <strong>Gewalt</strong>, S. 83–84.<br />

592 StLA ZGS K.197: Pol.Dion. Graz NSDAP (1923–1934).<br />

593 Sozialdemokratische Kampfesweise. In: Die Sturmfahne (1.12.1923) S. 3.<br />

594 StLA L.Reg. K.213: Gr.384 (Z.24/17 P I, 2.3.1926): Aus Anlass der Aufführung des Theaterstückes<br />

„Die Makkabäer“ im Frühjahr 1926 wurden protestierende „Arier“ von der Polizei verhaftet;<br />

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