Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt
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4.2.5 Die Bauernorganisation<br />
Nach behördlicher Einschätzung schienen die Kommunisten des Bezirkes, zumindest<br />
im ersten Quartal 1933, bei den Arbeitslosen <strong>und</strong> Ausgesteuerten Anklang gef<strong>und</strong>en<br />
zu haben. Bei der geschulten Arbeiterschaft, hieß es, kämen sie weniger gut an. Das<br />
LGK berichtet von einer „bedeutenden Vermehrung“ der kommunistischen Zellen<br />
auf dem flachen Land, wo sich Teile der Landbevölkerung, Klein- <strong>und</strong> Bergbauern,<br />
Bauernknechte <strong>und</strong> Mägde als „weniger widerstandsfähig gegen die Lockungen“<br />
der kommunistischen Agitatoren erwiesen. 304 Von besonderem Interesse sind daher<br />
die Bestrebungen der KPÖ, im ländlichen Raum Fuß zu fassen. Das „Reichsaktionskomitee<br />
der werktätigen Bauern Österreichs“ wurde vermutlich 1931 ins Leben<br />
gerufen. Unter dem Motto „Schluß mit der Vernachlässigung unserer Arbeit im<br />
Dorfe!“ rief das Wiener Sekretariat im Oktober 1931 alle Provinzorganisationen auf,<br />
eine verstärkte Kampagne auf dem Land zu organisieren, Bauernversammlungen<br />
einzuberufen <strong>und</strong> mit besonderem Nachdruck „bäuerliche Aktionen“, wie Steuerverweigerungen<br />
<strong>und</strong> Widerstand gegen Zwangsversteigerungen, auszulösen. Ziel<br />
dieser Aktion war die „Eroberung des Dorfes“ <strong>und</strong> die Heranbildung einer revolutionären<br />
Bauernschaft. 305 Den Kommunisten war klar, dass die Errichtung der von<br />
ihnen angestrebten sozialistischen Gesellschaft ohne die Mitwirkung einer Mehrheit<br />
der „werktätigen“ Bauernschaft ziemlich aussichtslos war. Nun sahen sie ihre<br />
St<strong>und</strong>e gekommen. Immer mehr Kleinbauern waren durch erhöhte Belastungen <strong>und</strong><br />
schwindende Einnahmen in die Schuldenfalle geraten <strong>und</strong> standen vor dem Ende<br />
ihrer Existenz. Dieses Potenzial hoffte die KPÖ für ihre politischen Ziele nutzen zu<br />
können. Im Sommer 1931 berichtet die Zeitschrift „Der arbeitende Bauer“ voller<br />
Optimismus von den Fortschritten in der Entwicklung der revolutionären Bauernbewegung<br />
in der Steiermark, wo es auch gelungen sei, ein „Landesaktionskomitee<br />
der werktätigen Bauern“ zu bilden. Das Komitee beabsichtige in allernächster Zeit,<br />
ein zentrales Landessekretariat in Graz einzurichten. 306 Zu diesem Zweck versandte<br />
die Wiener Zentrale Drucksorten, Propagandamaterial <strong>und</strong> Anmeldungsformulare<br />
an jene Funktionäre, welche die sicherlich nicht leichte Aufgabe übernommen hatten,<br />
eine Bauernorganisation aus dem Boden zu stampfen. In der Steiermark gingen<br />
die Vorbereitungen nur schleppend voran. Trotzdem gelang es einigen engagierten<br />
Funktionären, Versammlungen zu organisieren <strong>und</strong> Delegierte unter der Bauernschaft<br />
für den ersten Reichskongress, der im Mai 1932 geplant war, aufzustellen.<br />
Die Wahl der obersteirischen Delegierten war bei der Bezirkskonferenz, die am 10.<br />
April in Bruck an der Mur stattfinden sollte, vorgesehen. Bald machte sich jedoch<br />
Missstimmung breit. Obwohl die Wiener Zentrale die Organisation der Bauern zur<br />
„Sache der Gesamtpartei“ erhoben hatte, stellte sie einen Versammlungsplan auf<br />
mit der Aufforderung, die Basis solle sich nun intensiv um dessen Verwirklichung<br />
kümmern. Als es dann um die Rückvergütung der Auslagen der von ihr verlangten<br />
304 StLA ZGS (BKA) K.80/7 (LGK E.Nr.96 res., 16.3.1933 „komm. Bewegung im Feber 1933“).<br />
305 StLA L.Reg.K.688: Gr.384, Ko 2/44 (1932) „An alle Provinzorganisationen“.<br />
306 StLA L.Reg.K.678: Gr.384, Ba 1 (1932) „Reichskomitee werktätiger Bauern Österreichs, Wahrnehmungen“.