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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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274<br />

der Aufstandsgebiete in der Steiermark gelang auch auf Gr<strong>und</strong> von Meyszners Verhalten<br />

relativ problemlos. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch das verspätete<br />

Losschlagen in Kärnten, da von dort militärische Reserven in den Raum Judenburg<br />

– Leoben geholt werden konnten. Ein gleichzeitiges Losschlagen Kammerhofers<br />

<strong>und</strong> Meyszners zusammen mit Kärnten [SA-Gruppe „Südmark“, Anm.] hätte die<br />

Regierungstruppen wahrscheinlich gehörig in Bedrängnis gebracht, da zu dieser Zeit<br />

gerade einige Truppenteile nicht verfügbar waren. Dennoch erscheint im Nachhinein<br />

ein Sieg der Putschisten über die mit viel wirksameren Waffen (Minenwerfer)<br />

ausgestatteten Soldaten des B<strong>und</strong>esheeres eher unwahrscheinlich bis ausgeschlossen.<br />

Wie die Anführer der Aufstände im September 1931 <strong>und</strong> Februar 1934 rechneten<br />

offenbar auch die Nationalsozialisten mit der aktiven Teilnahme oder passiven Duldung<br />

von Teilen der Exekutivkräfte. Diese Annahme sollte sich erneut als trügerisch<br />

erweisen. 911<br />

5.4.3.6 Die Erhebung <strong>und</strong> deren Folgen aus nationalsozialistischer Perspektive<br />

Wenn auch Behördenberichte wie die Folgenden entsprechend kritisch zu werten<br />

sind, so werfen sie dennoch ein bezeichnendes Licht auf die Radikalisierung des politischen<br />

Klimas in den letzten Jahren der Ersten Republik. Ein persönlicher Bericht<br />

über den Zusammenbruch des Aufstandes in der Steiermark <strong>und</strong> zugleich eine Art<br />

Gegendarstellung zur offiziellen Version der österreichischen Behörden <strong>und</strong> gleichgeschalteten<br />

Presse stammt aus der Feder des deutschen Konsuls in Graz. 912 Voller<br />

Erbitterung über das schmähliche Ende der nationalsozialistischen Bewegung in<br />

Österreich zeichnet er ein düsteres Stimmungsbild der Putsch-Tage:<br />

In der Stadt [Graz, Anm.] ziehen Starhemberger Heimatschützer <strong>und</strong> Ostmärkische<br />

Sturmscharen, in etwas verkommener Aufmachung umher. Polizei versieht<br />

911 Alfred Jansa, Aus meinem Leben. Auszug aus den Memoiren von FML Alfred Jansa (=Schriftenreihe<br />

der Landesverteidigungsakademie Sonderband 1, Wien 2005) S. 269–272: Feldmarschallleutnant<br />

Jansa (1884–1963), dessen glänzende militärische Karriere bereits vor 1914 begann <strong>und</strong> der<br />

als überzeugter Österreicher galt, wurde mit dem Aufbau des B<strong>und</strong>esheeres in der Ersten Republik<br />

betraut, von Dollfuß zum Militärattaché nach Berlin entsendet <strong>und</strong> zum Chef des Generalstabes<br />

unter Schuschnigg berufen.<br />

In seinen Memoiren beschreibt Jansa seine erste persönliche Begegnung mit dem Nationalsozialismus<br />

in St. Pölten, die zum Schlüsselerlebnis wurde. Der Brigadechef wurde Zeuge einer SA-<br />

Störaktion während der Christmette des Jahres 1929. Als Jansa – nun hellhörig geworden – bei<br />

einer NS-Heeresversammlung erfuhr, dass die Soldaten zu Diensten Adolf Hitlers erzogen werden<br />

sollten, erkannte er, wie er selbst sagt, die „Gefährlichkeit dieser Bewegung“. Da die politischen<br />

Rechte der Soldaten nicht angetastet werden sollten, entschloss sich Jansa, einen anderen Weg zu<br />

gehen: Dem Nationalsozialismus, der allmählich das Offizierskorps aufzuspalten drohte, suchte ich<br />

dadurch zu begegnen, daß ich der politischen, christlichsozial ausgerichteten Soldatenvereinigung<br />

„Wehrb<strong>und</strong>“ beitrat <strong>und</strong> diesen Schritt in einem Offiziersbefehl allgemein als Richtungsweisung verlautbarte.<br />

(…) Das Gros aller Offiziere der Brigade folgte meinem Beispiel; nur wenige schlossen sich<br />

den Nazis an. Es war in der Brigade eine wohltuende Klarheit der Haltung eingetreten.<br />

912 Joseph Franz Desput, Aus den Akten des Deutschen Konsulates in Graz in der Ersten Republik.<br />

In: Mitteilungen des Steiermärkischen Landesarchivs 38 (Graz 1988) 45–68.

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