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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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In St. Peter-Freienstein beispielsweise beteiligten sich ehemalige Schutzbündler<br />

auf Geheiß der Nazis an dem Aufstand; in Kalwang waren die Sozialdemokraten<br />

„fast restlos“ zu den Nazis, in Eisenerz <strong>und</strong> Niklasdorf teils zu den Nationalsozialisten,<br />

teils zu den Kommunisten übergelaufen. In den „roten“ Hochburgen wie Bruck<br />

<strong>und</strong> Kapfenberg war es noch zu keiner Verbindung der „Marxisten“ mit den Nazis<br />

gekommen, jedoch war beobachtet worden, dass eine „lebhafte Werbetätigkeit“ der<br />

Nationalsozialisten im Gang war. De facto war es in der Industrieregion zur subversiven<br />

Radikalisierung bestimmter extremer Gruppen gekommen – die Behörde<br />

rechnete mit einem möglichen gemeinsamen Vorgehen der Linken <strong>und</strong> Rechten,<br />

da es ja jede auf die Vernichtung des Staates <strong>und</strong> insbesondere auf den Sturz der<br />

Regierung abgesehen hat. 873<br />

5.4.3 Der Putsch der Nationalsozialisten am 25. Juli 1934<br />

5.4.3.1 Personelle Hintergründe<br />

Lange Zeit blieben die zeitlich unkoordiniert erscheinenden regionalen Aufstände<br />

ein Rätsel der Geschichtsforschung. Erst dem Wiener Historiker Hans Schafranek<br />

gelang es, für die vermeintlichen Diskrepanzen zwischen den Ereignissen in Wien<br />

<strong>und</strong> den B<strong>und</strong>esländern eine plausible Erklärung zu finden. Bekanntlich überfielen<br />

die Wiener SS-Putschisten das Kanzleramt zu Mittag des 25. Juli <strong>und</strong> auch die<br />

RAVAG, von wo aus die Verlautbarung über den Rücktritt der Regierung Dollfuß<br />

als Signal für das Losschlagen in der Steiermark diente. Die vom SA-Führer Reschny<br />

gelenkte Aktion wurde erst einige St<strong>und</strong>en später eingeleitet, als der Wiener Putsch<br />

bereits zusammengebrochen war. Schafranek ist überzeugt, dass die Gleichzeitigkeit<br />

der Ereignisse in Wien <strong>und</strong> der Steiermark auf eine verborgen gebliebene Allianz<br />

zwischen den Drahtziehern des Wiener Putsches <strong>und</strong> den ehemaligen Granden des<br />

Steirischen Heimatschutzes, Rauter, Meyszner <strong>und</strong> Kammerhofer, zurückzuführen<br />

ist. Die erst bis zu zwei Tagen später einsetzenden Erhebungen in anderen Teilen<br />

Österreichs (in Kärnten <strong>und</strong> Oberösterreich am 26. <strong>und</strong> 27. Juli sowie in Salzburg<br />

am 27. <strong>und</strong> 28. Juli) beruhen auf dem Umstand, dass der Putsch in Österreich von<br />

unterschiedlichen NS-Gruppierungen organisiert <strong>und</strong> durchgeführt wurde. 874 Ausschlaggebend<br />

dafür soll ein NS-interner Konkurrenzkampf gewesen sein. Bei den<br />

Kontrahenten handelte es sich zum einen um den offiziell von Hitler eingesetzten<br />

Landesinspekteur für Österreich Theo Habicht, um den sich die vorgenannten Heimatschutz-Häuptlinge<br />

scharten; zum anderen um den aus Stammersdorf bei Wien<br />

gebürtigen Obergruppenführer Hermann Reschny, der von München aus sowohl<br />

die österreichische SA, als auch die so genannte Österreichische Legion befehligte.<br />

Meysz ner <strong>und</strong> Rauter waren auf Gr<strong>und</strong> ihrer wohl erworbenen Positionen als<br />

873 StLA ZGS (BKA) K.90/17 (Fol.541–544): Sechs der Gruppen wurden nach Renner, Seitz, Bauer,<br />

Stalin, Trotzky <strong>und</strong> Lenin benannt; zwei nannten sich „Sozialrevolutionäre Gruppe“ <strong>und</strong> „Jungfront“.<br />

874 Schafranek, Sommerfest, S. 8–12.<br />

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