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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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spann man ein Geflecht aus Werksschulen, Werkswohnungen, Werksfürsorge <strong>und</strong><br />

Werksges<strong>und</strong>heitswesen, Werkskindergärten <strong>und</strong> Werksvereinen, sondern um den<br />

„Faktor Mensch“ materiell abhängig von dem Moloch Betrieb zu machen. In Leoben<br />

ging der „Österreichische Verein für Technische Arbeitsschulung“ aus dem im Mai<br />

1926 gegründeten „Verein für Fortbildungsunterricht“ hervor. Dem Verein schlossen<br />

sich bald andere große Industriebetriebe außerhalb der ÖAMG an, so dass im Jahr<br />

1930 bereits 25 Industrieunternehmen mit zehn Werksschulen dem DINTA angehörten.<br />

Die ersten Werksschulen in der obersteirischen Industrieregion wurden im<br />

Oktober 1926 in Zeltweg <strong>und</strong> Fohnsdorf eröffnet. 431 Für die entsprechende geistige<br />

„Harmonisierung“ in den Betrieben der ÖAMG sollte die kostenlose Werkszeitung<br />

sorgen. Das Zauberwort hieß nun „Integration“ statt „Klassenkampf“. Unter diesem<br />

Aspekt wurden auch die freien sowie christlichen Gewerkschaften Schritt für<br />

Schritt zugunsten der „Unabhängigen“ ausgeschaltet. Der von der Generaldirektion<br />

der ÖAMG aus Düsseldorf importierte Gedanke der „Werksgemeinschaft“ wurde<br />

mit <strong>Gewalt</strong> durchgesetzt. Ab 1928 gingen die Heimwehraktivisten <strong>und</strong> Gewerkschaftsbosse<br />

Josef Oberegger, Josef Lengauer <strong>und</strong> Fritz Lichtenegger systematisch ans<br />

Werk, wie der Sozialbeauftragte der ÖAMG, Felix Busson, rückblickend feststellte:<br />

Aus der Heimatschutzgruppe selbst bildete sich zur Vertretung der gewerkschaftlichen<br />

Interessen der Arbeiter die ‚Unabhängige Gewerkschaft‘ (UG). 432<br />

Die Hierarchie des Betriebes spiegelte sich in den Ortsgruppen des Heimatschutzes<br />

wider, wo ausschließlich leitende Angestellte führende Positionen bekleideten, während<br />

die Arbeiterschaft bloß das Fußvolk stellte. 433 Paradebeispiel für eine solche Machtakkumulation<br />

von Heimatschutz-, Gewerkschafts- <strong>und</strong> Betriebsfunktionen ist Ing. Josef<br />

Oberegger, welcher zugleich Betriebsleiter der Donawitzer Hütte, Vertrauensmann,<br />

Gewerkschaftsfunktionär <strong>und</strong> Heimatschutzführer in Donawitz war. Im Betriebsratswahljahr<br />

1929 stellt die „Alpinepost“, sozialdemokratisches Sprachrohr <strong>und</strong> Pendant<br />

zur offiziellen Betriebszeitung, dem als „Oberegger Peperl“ oder „Heckerl“ verhöhnten<br />

Multifunktionär ein düsteres Zeugnis aus. Unter „Die neue heilige Dreifaltigkeit“<br />

prangert der Redakteur den mächtigen Betriebskaiser an: Drei Seelen wohnen in (seiner)<br />

Brust. (…) Wie solche Leute die Interessen der Arbeiter vertreten werden, kann<br />

man sich vorstellen. 434 Ein weiteres Beispiel für die Verzahnung von Heimatschutz <strong>und</strong><br />

Betrieb ist die Ortsgruppe Seegraben, deren Obmann, Berg inspektor des Kohlenbergbaues<br />

Seegraben Trojan, genannt „Triangl“, samt seinem Chauffeur Ostermann, der<br />

auch im Donawitzer Gemeinderat saß, immer wieder für negative Schlagzeilen in der<br />

„Alpinepost“ sorgte. Auch der Obmann der Eisenerzer Ortsgruppe des Heimatschutzes,<br />

Lorenz, war Angestellter der ÖAMG. Die Gründer <strong>und</strong> leitenden Funktionäre<br />

der Unabhängigen Gewerkschaft waren wiederholt bevorzugtes Ziel von Spott <strong>und</strong><br />

Hohn, wobei man peinlichst darauf achtete, antisemitische Anwürfe hinsichtlich der<br />

431 Fritz Erben, Die fachliche Ausbildung der Arbeiter. In: Die Österreichisch-Alpine Montangesellschaft<br />

1881–1931 (Wien 1931) S. 198.<br />

432 Felix Busson, Die sozialpolitische Entwicklung. In: Die Österreichisch-Alpine Montangesellschaft<br />

1881–1931 (Wien 1931) S. 188.<br />

433 Schleicher, Heißes Eisen, S. 325f.<br />

434 Die neue heilige Dreifaltigkeit. In: „Alpinepost“ (8.2.1929) S. 1.<br />

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