Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt
Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt
Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
„Kampf“ <strong>und</strong> „Macht“ so zur Schreibtischarbeit degradiert worden. 859 Aber auch auf<br />
der Länderebene trat die SDAPÖ sehr uneinheitlich auf. Die defensive Auffassung<br />
des rechten Parteiflügels, der ein gewaltsames Vorgehen unter allen Umständen verhindern<br />
wollte, fand am meisten Unterstützung in den westlichen B<strong>und</strong>esländern.<br />
Praktiziert wurde sie vor allem von den Niederösterreichern um Oskar Helmer <strong>und</strong><br />
Heinrich Schneidmadl. 860 Die obersteirischen Aktivisten gerieten darüber in Rage,<br />
waren sie doch im März 1933, als der Demokratie den Todesstoß versetzt worden<br />
war, von den „Bremsern“ gestoppt worden. Auch Koloman Wallisch wurde angefeindet<br />
<strong>und</strong> in die Grazer Landeszentrale „abserviert“. Wie in einem früheren Kapitel<br />
erwähnt, übernahm sein Gegenspieler, Hermann Lackner, das Bezirkssekretariat<br />
von Bruck an der Mur. In einer späteren Stellungnahme ortete Lackner, der zur Zeit<br />
der Revolte inhaftiert war, den Gr<strong>und</strong> für den Zusammenbruch des so genannten<br />
Februar-Aufstandes in der defensiven Haltung des Wiener Schutzb<strong>und</strong>es. Auch in<br />
der Steiermark, in Knittelfeld oder in Peggau etwa, seien die befohlenen Aktionen<br />
zu zaghaft oder überhaupt nicht ausgeführt worden. In einigen Bezirken sei es<br />
bereits bei der Erstürmung der Gendarmerieposten zu Pannen gekommen, wichtige<br />
Stützpunkte seien nicht erobert, infrastrukturelle Blockaden nicht durchgeführt<br />
worden, so Lackner. Einzig im Bezirk <strong>und</strong> in der Stadt Bruck sei der Plan rasch <strong>und</strong><br />
entschlossen ausgeführt worden; mit Ausnahme von Mariazell habe man alle Ortschaften<br />
besetzt. 861 In Bruck gelang es dem Schutzb<strong>und</strong> tatsächlich, den strategisch<br />
wichtigen Schlossberg zu erobern sowie das Werk der Firma Felten & Guilleaume, die<br />
Forstschule <strong>und</strong> die Gendarmeriekaserne einzukreisen, um die „regierungstreuen“<br />
Kräfte zu binden. Es ging jedoch auch einiges schief. Die Straßenverbindung zwischen<br />
Graz <strong>und</strong> Bruck wurde erst am späten Nachmittag verlegt, die Bahnlinie erst<br />
am Morgen des 13. Februar unterbrochen. Das vorrückende Militär konnte letztlich<br />
nicht gestoppt werden. Bei diesen Operationen wurden zahlreiche Schutzbündler,<br />
Exekutivbeamte <strong>und</strong> Hilfspolizisten getötet beziehungsweise verw<strong>und</strong>et. Die ersten<br />
Opfer fielen während der Erstürmung der Brucker Gendarmeriekaserne am frühen<br />
Nachmittag des 12. Februar 1934: der Gendarmerieaspirant Johann Gartler, der<br />
von einem Schuss durchs Fenster getroffen wurde, sowie der Anführer der etwa<br />
20 Schutzbündler, Sepp Linhart, der in das Gegenfeuer der Gendarmen geriet. 862<br />
Bezirksgendarmeriekommandant Ofner hielt die dramatischen Ereignisse fest:<br />
Kurz nach Abmarsch der Abteilung Knauz [zur Firma Felten, Anm.] fielen im<br />
vorderen Kasernenhof Schüsse <strong>und</strong> schließlich MG Feuer. Anlaß hiezu war das<br />
Eindringen einer Truppe von (…) bewaffneten Schutzbündlern, die die Kaserne<br />
zu stürmen versuchten <strong>und</strong> auch den tordiensthabenden Gend. Asp. Gartler<br />
durch das Fenster des Inspektionszimmers niederschossen. Dieses Feuergefecht<br />
859 Rabinbach, Bürgerkrieg, S. 116–117.<br />
860 Holtmann, Unterdrückung, S. 80–90.<br />
861 Hermann Lackner (1900–1984), Der Brucker Schutzb<strong>und</strong>. Erzählte Geschichte: DÖW http://<br />
www.doew.at/frames.php?/service/archiv/eg/lackner1.html, 12.11.2009.<br />
862 Siehe dazu auch: Katalin Soós, Koloman Wallisch. Eine politische Biographie (=Materialien zur<br />
Arbeiterbewegung 57, Wien/Zürich 1990) S. 180–190.<br />
261