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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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4.2.2 Der Agitator Paul Polanski<br />

Als der Kommunist Paul Polanski im Mai 1932 285 festgenommen wurde, fielen den<br />

Exekutivbeamten zahlreiche brisante, Polanski belastende Schriftstücke in die Hände,<br />

die sowohl in der Unterkunft des Verhafteten als auch im Leobener Parteisekretariat<br />

gef<strong>und</strong>en wurden. Jene Zeugnisse gewähren einen recht guten Einblick in die Tätigkeit<br />

der Leobener KPÖ zwischen 1931 <strong>und</strong> 1932. Aus der Abschaffungsakte geht hervor,<br />

dass der 1895 in Hołowećko (Головецько) in Galizien 286 geborene Bergingenieur<br />

erst während des Ersten Weltkrieges mit seiner Familie nach Wien gekommen war.<br />

Polanski gab an, sein Vater, ein griechisch-katholischer Geistlicher, sei im Interniertenlager<br />

Thalerhof bei Graz gestorben, während seine Mutter Aufnahme bei Verwandten<br />

in Polen gef<strong>und</strong>en habe. Er selbst habe sein Studium in Leoben seit 1918<br />

mittels Nachhilfeunterricht finanziert. Die Beteuerungen Polanskis, niemals für die<br />

KPÖ tätig gewesen zu sein, schienen unglaubwürdig. Polanski war wiederholt von<br />

Konfidenten beobachtet worden, wie er sich zwar nicht direkt beteiligt, aber doch<br />

aus dem Hinterhalt, vor allem als Redakteur von „Hetzschriften“ agitiert hatte. 287<br />

Außerdem waren äußerst brisante Schriftstücke im Zusammenhang mit dem Bau von<br />

Sprengmittelsätzen bei Polanski gef<strong>und</strong>en worden. Aus der Sicht der Behörde war der<br />

Mann zum Sicherheitsrisiko für den Staat geworden. Bereits am 13. Juli 1932 stellte die<br />

Bezirkshauptmannschaft Leoben eine so genannte Abschaffungserkenntnis aus mit<br />

der Begründung, Polanskis Aufenthalt sei „aus Rücksichten der öffentlichen Ordnung<br />

<strong>und</strong> Sicherheit“ unzulässig <strong>und</strong> er sei daher aus „dem Gebiete der Republik Österreich“<br />

abzuschaffen. Da Polanski alle möglichen Rechtsmittel ausschöpfte <strong>und</strong> auch<br />

ein Gnadengesuch an den B<strong>und</strong>espräsidenten stellte, das abgewiesen wurde, kam es<br />

erst am 14. August 1935 zu der endgültigen Abschiebung in seine Heimatgemeinde. 288<br />

Polanski schrieb nicht nur für die Zeitschrift „Der Alpine Sklave“, sondern er<br />

organisierte auch zahlreiche politische Veranstaltungen für die Leobener KPÖ. Ab<br />

1931 setzte eine intensivierte Werbung um die Stimmen der Arbeitslosen ein. Am<br />

25. Februar 1931, dem „Internationalen Kampftag“, berichtet Polanski von r<strong>und</strong><br />

tausend Arbeitern <strong>und</strong> Arbeitslosen, die bei einer „machtvolle(n) Demonstration<br />

trotz Verbot, Bajonettangriffen <strong>und</strong> Säbelattacken“ zum Leobener Hauptplatz marschierten.<br />

Bei dem Tumult, der während der von der Exekutive durchgeführten<br />

285 Polanski wurde am 28.Juni 1932 enthaftet: StLA ZGS (BKA) K.81/8 (Fol.208–209).<br />

286 Laut Wikipedia ist Hołowećko eine Gemeinde im Bezirk Stary Sambor, der bis 1918 zu Österreich-<br />

Ungarn, ab 1919 zu Polen gehörte <strong>und</strong> 1939 Teil von West Ukraine wurde: http://en.wikipedia.org/<br />

wiki/Starosambirskyi_Raion, 18.12.2009.<br />

287 Laut einem von Polanski im Juli 1929 an das ZK gerichteten Beschwerdebrief war derselbe bereits<br />

seit 1920 aktives Mitglieder der KPÖ <strong>und</strong> erhielt einzig von seinem in der Ukraine lebenden Bruder<br />

finanzielle Unterstützung. Polanski gibt an, sich um eine Ingenieursstelle in der Sowjetunion<br />

bemüht zu haben, er sei jedoch aus unerfindlichen Gründen abgewiesen worden. Seine Situation<br />

als aktiver Kommunist sei denkbar schlecht, weil er keine Arbeit bekomme <strong>und</strong> als Redakteur des<br />

„Alpinen Sklaven“ von der Behörde verfolgt werde. Die Behörde behauptet hingegen, Polanski sei<br />

ein von der russischen Staatsbank gut bezahlter Agitator: StLA BH Leoben Gr.14: K.58 (Zl.386/II<br />

Po 2/6-1932, 11.3.1933).<br />

288 StLA BH Leoben Gr.14: K.16 (GPKLe E.Nr.3981/Abschaffungsantrag 28.5.1932);K.58 (BHLe Zl.14<br />

Po 14/6, 13.7.1932).<br />

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