Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt
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hört. 892 Jene Personen, die aktiv teilgenommen hatten, oder in dem Verdacht standen,<br />
den Putsch irgendwie unterstützt zu haben, wurden verhaftet <strong>und</strong> in verschiedene<br />
Anhaltelager abgeschoben. Bei ihrer Einvernahme gaben sich einige führende Mitarbeiter<br />
ahnungslos. Sie behaupteten, die NS-Propaganda wäre hauptsächlich von<br />
außen in die Firma getragen worden. Sie selbst hätten sich stets von jeglicher politischer<br />
Agitation ferngehalten. Die Generaldirektion habe die Ermahnungen <strong>und</strong><br />
Verbote der Regierung ernst genommen <strong>und</strong> die Mitarbeiter per R<strong>und</strong>schreiben<br />
aufgefordert, sich der Agitation für die NSDAP oder anderer verbotener Parteien<br />
zu enthalten. 893 Andere wiederum belasteten die Direktion schwer. Der Untersuchungsbericht<br />
zeigte auf, dass die nationalsozialistische Gesinnung „einzelner<br />
Ingenieure“, die vor dem Verbot im braunen Hemd <strong>und</strong> mit dem Parteiabzeichen<br />
demonstrativ auftraten, allgemein bekannt war. Die Generaldirektion hatte nicht nur<br />
die Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda in einzelnen Werken geduldet,<br />
sondern auch die Werksschulen im nationalsozialistischen Sinn eingerichtet. Nach<br />
dem Verbot der NSDAP folgten lediglich halbherzige Maßnahmen. In Wirklichkeit<br />
war alles beim Alten geblieben. Zudem wurden in Donawitz ein Werksturnverein<br />
sowie eine Frauenhilfsgruppe mit Unterstützung der Generaldirektion gegründet,<br />
wo einschlägige Aktivitäten von werksbekannten Nationalsozialisten fortgesetzt<br />
wurden. Dennoch konnte eine direkte Verbindung der Werksleitung zur NSDAP in<br />
keinem einzigen Fall nachgewiesen werden. 894 Mit Genugtuung berichtet eine vaterländisch<br />
gesinnte Lokalzeitung von dem gründlichen Reinemachen der Regierung,<br />
die auch nicht vor höchsten Staatsämtern Halt mache. Bei der Alpine-Montan, wo<br />
die Nationalsozialisten ihr Unwesen am ärgsten getrieben hätten, seien vaterländisch<br />
gesinnte Arbeitnehmer in unverschämtester Weise terrorisiert worden. Nun sollte<br />
durch rücksichtslose Entlassungen <strong>und</strong> andere Maßregelungen auch den ehrlich<br />
Schaffenden endlich zu ihrem Recht verholfen werden. 895<br />
5.4.3.4 Die Erhebung in der obersteirischen Industrieregion<br />
Als um etwa 14 Uhr des 25. Juli das Kommando der Brigade Steiermark Nr. 5 Alarmbereitschaft<br />
anordnete, wusste man noch nicht, wie sich die Ereignisse in Wien auf<br />
die Steiermark auswirken würden. Erst eine St<strong>und</strong>e später wurde eine Kompanie des<br />
in Graz stationierten Alpenjägerregimentes wegen „nationalsozialistischer Unruhen“,<br />
die aus Radkersburg gemeldet wurden, in Bereitschaft versetzt. Dann ging alles<br />
892 StLA ZGS (BKA) K.89/16 (Fol.1370–1375): Im September 1934 wurden Zahlbruckner Ersatzleistungen<br />
von insgesamt 104.000 Schilling vorgeschrieben. Dieser hohe Betrag war durch „außerordentliche<br />
Sicherheitsmaßmaßnahmen“, d.h. die Ausrüstung <strong>und</strong> Verpflegung der für die Niederschlagung<br />
des Putsches aufgebotenen Exekutivkräfte, entstanden. Zahlbruckner, der für die<br />
Alpine-Erhebung verantwortlich gemacht wurde, erklärte der Behörde, er wäre außerstande, diese<br />
Summe in so kurzer Zeit aufzubringen.<br />
893 StLA L.Reg. Gr.384: A 114 (1934): Befragung Heinrich Asimus, Heinz Suppan, Ing. Schaur,<br />
27.8.1934.<br />
894 StLA L.Reg. Gr.384: A 114 (1934): Erhebungsbericht über die Werksbetriebe der ÖAMG.<br />
895 Die Säuberungsaktion. In: Obersteirische Volkspresse (12.8.1934) S. 1.