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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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5.1.5 Gezogene Schwerter<br />

5.1.5.1 Der gewaltsame Ausgang einer nationalsozialistischen Versammlung<br />

Von einem Beispiel des brutalen Kampfes zwischen Sozialdemokraten <strong>und</strong> Nationalsozialisten<br />

in Leoben berichtet eine bürgerliche Lokalzeitung im April 1928.<br />

Demnach soll eine Gruppe Sozialdemokraten, darunter der örtliche Parteisekretär<br />

Plaimauer, eine behördlich gemeldete Versammlung der nationalsozialistischen<br />

Ortsgruppe Leoben gestürmt <strong>und</strong> bei der anschließenden Schlägerei etliche „Hitlerleute“<br />

zusammengeschlagen haben. Schon zu Beginn der Veranstaltung sollen<br />

die dort bereits anwesenden Sozialdemokraten den Vorsitz an sich gerissen <strong>und</strong> den<br />

Ortsobmann der NSDAP Leo Pach-Haussenheimb am Sprechen gehindert haben.<br />

Als wenig später weitere „Marxisten“ die Ordnerkette der Nationalsozialisten durchbrachen<br />

<strong>und</strong> in den Saal drangen, entstand ein Tumult, in dessen Verlauf die unfreiwilligen<br />

„Gastgeber“ mit Schlagringen, Eisenruten <strong>und</strong> Ochsenziemern attackiert<br />

wurden. Die blutige Bilanz: Mindestens 20 schwer- <strong>und</strong> leicht verletzte Nationalsozialisten,<br />

darunter Josef Laß senior, Vater des später von einem Jungsozialisten<br />

erschossenen jungen Hitler-Anhängers, der sogar einen Stich in die Schädeldecke<br />

erhielt. 621 Ob die örtlichen Sozialdemokraten diese <strong>Gewalt</strong>tat aus purem Hass auf den<br />

lästigen Konkurrenten oder aus Rache für ein ihrerseits erlittenes Unrecht verübten,<br />

geht aus dem Bericht nicht hervor. Möglicherweise entsprach der Bericht auch nicht<br />

den Tatsachen. Die Quellen vermitteln den Eindruck einer in sich gespaltenen, an<br />

einer Zeitenwende stehenden janusköpfigen Gesellschaft, die sich gewissermaßen<br />

auf Kriegskurs befand. In einer Zeit, in der sich relevante gesellschaftspolitische<br />

Milieus als Feinde wahrnahmen <strong>und</strong> das Suchen nach einer Verständigung nicht<br />

als Zeichen der Vernunft, sondern als Schwäche interpretiert wurde, folgte auf jede<br />

als Unrecht empf<strong>und</strong>ene Tat zwangsläufig die Vergeltung. So konnte die Spirale<br />

der <strong>Gewalt</strong> nicht nur nicht unterb<strong>und</strong>en werden, sondern sie drehte sich mit einer<br />

ihr innewohnenden Dynamik immer weiter. Den Sozialdemokraten ging es aktuell<br />

darum, den von ihr streitig gemachten Boden in den Betrieben der ÖAMG <strong>und</strong> auf<br />

der Straße wiederzugewinnen. Als „Arbeiterpartei“ stellten die Nationalsozialisten<br />

zwar einen politischen Rivalen dar, doch noch konnten sie sich nicht mit der rasch<br />

wachsenden Popularität der „volkstümlichen“ Heimwehrbewegung messen.<br />

5.1.5.2 Ein Sommerfest endet mit einer Schießerei<br />

Im Juli 1928 kam es bei einem Sommerfest des Reichsverbandes der ehemaligen Kriegsgefangenen<br />

in Au bei Kapfenberg zu einer Auseinandersetzung zwischen drei jungen<br />

„Heimatschützlern“ <strong>und</strong> einigen sozialdemokratischen Besuchern, die beinahe tragisch<br />

geendet hätte. Einer der in die Flucht geschlagenen „Hahnenschwänzler“, der 22-jährige<br />

621 Sozialdemokraten sprengen eine National-Sozialisten Versammlung. In: Leobener Zeitung<br />

(17.4.1928) S. 1.

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