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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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geheimnisvoller Schleier über jenem 13. September; manche Rätsel harren noch der<br />

Klärung. Widersprüchliche Zeugenaussagen zur angeblichen „Berauschung“ Pfrimers<br />

lassen allerhand Spekulationen aufkommen. War Pfrimer alkoholisiert oder<br />

einfach nervlich am Ende? Sollte er unter Drogeneinfluss absichtlich „außer Gefecht“<br />

gesetzt werden? 802 Ein Mysterium bleibt auch die militärische Operation des Majors<br />

Pranckh, der mit seinen Heimwehrtruppen anstatt in Richtung Semmering in die<br />

entgegengesetzte Richtung auf das Gaberl, ein weststeirisches Grenzgebirge, marschierte.<br />

Möglicherweise sollte Pranckh von dort aus die Landeshauptstadt Graz einnehmen.<br />

Bei seiner Einvernahme brach der B<strong>und</strong>eswehrführer Hülgerth für Pranckh<br />

eine Lanze <strong>und</strong> beschrieb ihn als „vernünftigen <strong>und</strong> besonnenen Menschen“. 803<br />

5.4.1.1 Der Putsch als Krisensymptom<br />

Pfrimers versuchter Staatsstreich ist als dilettantisches, beinahe lächerliches Unternehmen<br />

in die Annalen der Geschichte eingegangen – der Putsch wurde sogar als<br />

„operettenhaft“ bezeichnet, obwohl sich in Kapfenberg ein Zusammenstoß mit tödlichem<br />

Ausgang ereignet hatte. 804 Die Auswirkungen der damaligen Ereignisse, die<br />

alles andere als harmlos gewesen waren, sorgten bis Jahresende 1931 für Schlagzeilen:<br />

Etwa die Reaktionen vieler damaliger Politiker, die sich beeilten, den dreisten<br />

Griff nach der „Macht im Staate“ schärfstens zu verurteilen sowie die ausführlichen<br />

Presseberichte, die tage-, sogar wochenlang die Spalten füllten. Im Dezember 1931<br />

fand die Aufregung eine Fortsetzung, als der Prozess gegen die Hauptbeteiligten mit<br />

einem Freispruch endete. Der missglückte Putsch kann als Höhepunkt einer antiparlamentarischen<br />

Bewegung begriffen werden, in der die gewaltsame Beseitigung<br />

der verhassten Staatsstrukturen zum Programm erklärt worden war. In den ersten<br />

St<strong>und</strong>en schienen die militärischen Operationen durchaus zu greifen. Immerhin<br />

marschierten r<strong>und</strong> 14.000 Heimatschützer auf, besetzten die Amtsräume lokaler<br />

Behörden, bedrohten <strong>und</strong> verhafteten Amtspersonen, blockierten Straßenverbindungen<br />

<strong>und</strong> umzingelten die Landeshauptstadt Graz, wo 2000 Mann B<strong>und</strong>esheertruppen<br />

stationiert waren. Aber abgesehen davon, dass es Pfrimer nicht gelang, wesentliche<br />

Unterstützung für seinen Marsch auf Wien zu gewinnen, „vergaßen“ die Verantwortlichen,<br />

die Kommunikationslinien von Bahn <strong>und</strong> Post zu besetzen. Dadurch<br />

konnte die Regierung in Wien alarmiert werden, die das B<strong>und</strong>esheer in Marsch<br />

setzte. Wie auch immer der beinahe in Vergessenheit geratene Putschversuch heute<br />

beurteilt wird, Pfrimer muss von der Notwendigkeit seiner „Mission“ <strong>und</strong> dem Erfolg<br />

802 Hofmann, Pfrimer-Putsch, S. 103–107.<br />

803 Jedlicka, Justizpalast, S. 326.<br />

804 Der Sonntag in Kapfenberg. In: Obersteirerblatt (16.9.1931) S. 4. In Kapfenberg, wo es an mindestens<br />

zwei Stellen zu schweren Zusammenstößen zwischen Putschisten <strong>und</strong> Arbeitern gekommen<br />

war, starben zwei Arbeiter in einem Feuergefecht, darunter ein Vater von drei Kindern, sowie ein<br />

Heimatschützer.

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