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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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184<br />

5.1.2 Ruhe vor dem Sturm?<br />

Zwischen 1924 <strong>und</strong> 1926 bewirkte die innenpolitische <strong>und</strong> ökonomische Stabilisierung<br />

eine vorübergehende Abkühlung des heißen Pflasters, sieht man von vereinzelten<br />

Streiks <strong>und</strong> dem noch schwelenden Kulturkampf ab, der in Vorwahlzeiten<br />

in verbaler <strong>und</strong> gedruckter Form beredt zum Ausdruck gebracht wurde. Obwohl<br />

die in der zweiten Hälfte des Jahres 1924 stagnierende Auftragslage im Stahlsektor<br />

zu Stilllegungen bei einigen Betrieben der ÖAMG führte <strong>und</strong> eine Teuerung der<br />

Lebenshaltung für Unzufriedenheit in der Arbeiterschaft sorgte, kam es kaum zu<br />

größeren Auseinandersetzungen zwischen Betriebsleitung <strong>und</strong> Belegschaft. 595 Doch<br />

dürfte dies eher auf die repressiven Maßnahmen seitens jener Industriekonzerne<br />

zurückzuführen sein, die an einem Abbau der für die Arbeitnehmer <strong>und</strong> Arbeitnehmerinnen<br />

erkämpften Errungenschaften interessiert waren. Die Folge war ein<br />

Vertrauensverlust der Arbeiterschaft in die Sozialdemokratie. Erst im August 1925<br />

riefen Arbeitervertreter aller Richtungen in der Hütte Donawitz zum Streik auf,<br />

als die Werksleitung ihre Forderung nach einer generellen Lohnerhöhung strikt<br />

ablehnte. Von der gewaltigen Streikaktion blieb am Ende nicht viel übrig; lediglich<br />

eine geringfügige Lohnerhöhung für die Ärmsten konnte der Konzernleitung abgerungen<br />

werden. 596 Umso höher schlugen die Wellen der Empörung, als im darauf<br />

folgenden Jahr die Finanzskandale um die „Steirerbank“ <strong>und</strong> die „Steweag“-Aktien,<br />

bei denen ranghohe christlichsoziale Politiker <strong>und</strong> Beamte des Landes ihre Finger<br />

im Spiel hatten, publik wurden. 597 Verständlicherweise ließ die sozialdemokratische<br />

Opposition kein gutes Haar an Landeshauptmann Rintelen, der im Verdacht stand,<br />

Hauptdrahtzieher <strong>und</strong> Mitwisser der dunklen Geschäfte zu sein, <strong>und</strong> verhinderte<br />

seine Wiederwahl zum Landeshauptmann im Oktober 1926 durch Obstruktion. 598 In<br />

den Augen des politischen Gegners wurden Rintelen <strong>und</strong> die CSP zum Inbegriff der<br />

Korruption <strong>und</strong> Lasterhaftigkeit. Als Landeshauptmann wurde ihm Amtsmissbrauch<br />

(„Verquickung von Politik <strong>und</strong> Geschäft“) vorgeworfen; als Unterrichtsminister hatte<br />

er in die von der Sozialdemokratie geforderte Freiheit in der Frage der „religiössittlichen<br />

Erziehung“ eingegriffen. 599 Im Gegenzug wirkte das von der Sozialdemokratie<br />

im November 1926 verabschiedete Parteiprogramm wie eine Kampfansage<br />

an das bürgerliche Lager. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> des sozialen Unfriedens kann es<br />

daher wenig w<strong>und</strong>ern, dass sich jene Spannungen bald zu handfesten Auseinandersetzungen<br />

entwickelten.<br />

bei einer NS-Versammlung in Graz im Oktober desselben Jahres verhinderte die Polizei gröbere<br />

Raufereien zwischen „Jugendsozialisten“ <strong>und</strong> Nationalsozialisten.<br />

595 Felix Busson, Die sozialpolitische Entwicklung. In: Die Österreichisch-Alpine Montangesellschaft<br />

1881–1931 (Wien 1931) S. 182–183.<br />

596 Hinteregger, Arbeiterbewegung, S. 44–46.<br />

597 Der christlichsozial-großdeutsche Bankenskandal. Eine Billion Steuergelder verschleudert! (Wien<br />

1927) S. 32–44.<br />

598 StLA Sten. Ber.Stmk.Landtag 1923–1927, 1–73 (41./42.Sitzung 12.2./19.2.1926) S. 989–996; 1003–<br />

1007.<br />

599 StLA L.Reg. K.213: Gr.384 (Zl.2026/59 PI, 15.9.1926).

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