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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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aus dem Dienste zu erwarten. Dass die Netzwerke der Kommunisten <strong>und</strong> der Nationalsozialisten<br />

noch höchst lebendig waren, beweisen einige Fälle, die in den Akten<br />

der städtischen Sicherheitswache Donawitz aus dem Jahr 1935 dokumentiert sind.<br />

Es sind durchwegs junge Männer, die wegen Aufbewahrung <strong>und</strong> Verbreitung von<br />

illegalem Propagandamaterial verhaftet wurden. 919<br />

Diese Zustände spielten sich vor dem Hintergr<strong>und</strong> einer anhaltenden Wirtschaftskrise,<br />

gekoppelt mit hoher Arbeitslosigkeit, ab. In der Steiermark sorgten<br />

der stagnierende Fremdenverkehr <strong>und</strong> die niedrigen Preise in der Landwirtschaft<br />

für zusätzliche Katastrophenstimmung. 920 Kurzum: Die Unzufriedenheit der Bevölkerung<br />

mit der Politik der Regierung, die Drubba „dieses Gesindel“ nennt, war im<br />

Steigen begriffen: Das ewige Sichdrücken vor jeder freien Wahl zeigt aber deutlich<br />

dass die Regierung genau weiss, dass sie nicht die Mehrheit der Bevölkerung hinter<br />

sich hat, wie sie immer frech behauptet. Der Konsul ortet zudem eine wachsende<br />

Radikalisierung der „nationalen“ Jugend, die eine neuerliche Welle der <strong>Gewalt</strong> zu<br />

verheißen schien: Die Wut in den nationalen Bevölkerungskreisen, besonders in der<br />

Jugend hat einen derartigen Grad erreicht, dass besonders bei den Pfarrern, einzelnen<br />

politischen Beamten, Gendarmen <strong>und</strong> politisch hervortretenden Persönlichkeiten ein<br />

Massenmorden zu befürchten wäre, das der Bewegung nur abträglich sein kann. Mit<br />

„Bewegung“ meint Drubba den Nationalsozialismus, der zwar nicht in Erscheinung<br />

treten durfte, aber doch „in neuen Formen“ bereits etabliert war. 921<br />

Voll Stolz erzählt der Zeitzeuge Freudenthaler von der „Wiedergeburt“ der Bewegung<br />

<strong>und</strong> den riskanten Untergr<strong>und</strong>tätigkeiten der Nationalsozialisten im Bezirk<br />

Leoben, die von manchen Sicherheitsorganen, „oft selbst mit im B<strong>und</strong>e“, unterstützt<br />

wurden. In getarnten Zusammenkünften wurden Besprechungen gehalten, Spenden<br />

emsig gesammelt <strong>und</strong> Flugschriften regelmäßig gedruckt:<br />

Als es im Jahre 1935 hieß, nach dem entsetzlichen Rückschlag des Unglücksjahres<br />

1934 die Partei in ganz Österreich wieder aufzubauen, da ging dies von<br />

u n s e r e m Bezirk aus. Die entscheidende Besprechung der Brigadeführer der<br />

gesamten Ostmark wurde damals hieher, auf den Prebichl [recte Präbichl,<br />

Anm.], einberufen. (…) Der Entwurf der Satzungen aber stammte von unserem<br />

Franz Steindl, damals Standartenführer. Er wurde für die ganze österreichische<br />

Kampfbewegung als bindend angenommen <strong>und</strong> nach diesem Prebichler Plan von<br />

1935 erfolgte mithin der Neuaufbau der Partei in allen B<strong>und</strong>esländern. Das mag<br />

hier festgehalten werden, ebenso, daß alle unsere Kampfgliederungen die ganze<br />

Verbotszeit hindurch mit beispielgebender Festigkeit <strong>und</strong> Treue trotz schärfster<br />

919 MC/AL Gemeindearchiv Donawitz, Sch.10, Akten Nr.127–137 (Zl.4/48, 1.7.1935; Zl.4/83,<br />

22.10.1935).<br />

920 Die Lage der steirischen Bauern wird behördlicherseits ebenfalls als „desolat“, die politische Tendenz<br />

im südlichen Grenzgebiet als „stark nationalsozialistisch“ bezeichnet. Im September 1934<br />

fehlten in manchen Landstrichen die männlichen Arbeitskräfte, sodass die ganze schwere Erntearbeit<br />

auf den Schultern der Frauen lastete: StLA ZGS (BKA) K.89/16 (Fol.1173–1174).<br />

921 StLA MF Akten des Dt. Konsulats P7/Bd.37/C1/Pol.III-1935 („Bericht aus Steiermark, 4. Juli<br />

1935“).

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