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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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seien durchfahrende Lastkraftwagen sowie Fuhrwerke geplündert worden <strong>und</strong> auf<br />

dem Kasernenhof, „wo es mitunter recht lebhaft zugeht“, suchten viele Leute, „etwas<br />

von den umherliegenden Requisitionsgegenständen zu erhaschen“. Selbst die Wehrmänner,<br />

heißt es hier, hätten es mit der Ehrlichkeit nicht so genaugenommen. An<br />

der Finanzierung der Leobener Ortswehr beteiligten sich ein Großgr<strong>und</strong>besitzer<br />

<strong>und</strong> einige Geschäftsleute: Baron Franz Mayr-Melnhof mit 5000 Kronen, Georg<br />

Perz mit 200 Kronen, Baumeister Lindner mit 150 Kronen sowie Alfred Riedl mit<br />

100 Kronen. 383 Auch in Judendorf bei Leoben bildete sich eine Ortswehr unter der<br />

Leitung von Sägewerksbesitzer Kuschinsky. 384<br />

Einige Wochen nach der Entstehung des so genannten Deutschen Volksrates<br />

in der Untersteiermark gründete Pfrimer im Frühjahr 1918 einen Volksrat in seinem<br />

Wohnort Judenburg. Bald wurde dieser zu einer Unterabteilung der steirischen<br />

Heimwehr, an deren Spitze Pfrimer als obersteirischer Bezirksführer stand. Nicht<br />

außer Acht gelassen werden sollten die Grazer <strong>und</strong> Leobener Studentenbataillone, die<br />

sich der Bewegung damals anschlossen <strong>und</strong> bald den Ruf einer radikalen nationalen<br />

Kerntruppe erlangten. Die meisten dieser Studenten waren erfahrene Soldaten, die<br />

sich sowohl in der Verteidigung der kärntnerisch-steirischen Grenzregionen als auch<br />

in der Niederschlagung der kommunistischen Aufstände des Jahres 1919 hervortaten.<br />

Um diese Truppen an sich zu binden, machte Pfrimer deren Führer, Hans Albin Rauter,<br />

zu seinem Stabschef. 385 Bald nach dem Umsturz stellte Landeshauptmann Rintelen<br />

die steirischen Heimwehrgruppen unter die Leitung eines Gremiums führender<br />

steirischer Politiker aller Parteien, allen voran des christlichsozialen Landeshauptmannstellvertreters<br />

Ahrer. Das obersteirische Bauernkommando Pfrimers sowie<br />

das untersteirische Bauernkommando Brodmanns, die als eine „überparteilich“<br />

ja sogar als antiparteiliche Kampfgemeinschaft auftraten, behielten als solche eine<br />

gewisse Selbständigkeit bei. Als Antwort auf die offizielle Auflösung der steirischen<br />

Heimwehren im Frühjahr 1922 wurde die überparteiliche Bewegung „Selbstschutzverband<br />

Steiermark“ in Leoben gegründet. Nach dem frühen Tod Brodmanns im<br />

Mai 1922 entstand eine nationale Kernbewegung, deren Führung Walter Pfrimer<br />

im Herbst 1923 von dem Grazer Universitätsprofessor Hertle übernahm. Am 1.<br />

Jänner 1924 wurde der Selbstschutzverband in „Heimatschutzverband Steiermark“<br />

umbenannt. Pfrimer machte von Anfang an klar, dass seine Bewegung keinesfalls<br />

Befehlsempfänger irgendwelcher Parteien sei, sondern eine eigenständige deutschnationale<br />

antimarxistische Kraft in der Steiermark darstellte. Bekanntlich schlug<br />

die St<strong>und</strong>e der Bewegung im November 1922 in Waltersdorf bei Judenburg 386 <strong>und</strong><br />

liche Volksbewegung? (=Studien <strong>und</strong> Quellen zur österreichischen Zeitgeschichte 7, Wien 1985),<br />

Kurzzitat: Wiltschegg, Volksbewegung, S. 14–15; 34–36.<br />

383 In ernster Zeit. In: Obersteirische Volkszeitung (13.11.1918) S. 4.<br />

384 In ernster Zeit. In. Obersteirische Volkszeitung (16.11.1918) S. 2.<br />

385 Pauley, Hahnenschwanz, S. 40–42.<br />

386 Einer im November 1971 verfassten Niederschrift des Herrn Rudolf Sperlich, Zeitzeuge <strong>und</strong> Sohn<br />

des damaligen Gendarmeriepostenkommandanten Alois Sperlich zufolge, entzündete sich jene gefährliche<br />

Situation an einer bei einigen Strettweger Bauern durchgeführten Waffensuche, die am<br />

2. November 1922 von etwa 200 teils bewaffneten Arbeitern aus dem Fohnsdorfer Industrierevier<br />

unter dem Kommando des Arbeiterführers Josef Chaloupka überfallen <strong>und</strong> beraubt wurden. Nach<br />

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