Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt
Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt
Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
162<br />
ihren Aufstieg. Mögen die Gegner noch so wüten <strong>und</strong> fletschen, die Tatsache, daß<br />
im Lande Steiermark 56 nationalsozialistische Gemeinderäte [Fettdruck im<br />
Original, Anm.] in den verschiedenen Gemeinden mitarbeiten werden, ist nun<br />
einmal nicht mehr von der Hand zu weisen (…). 498<br />
Bei den Gemeinderatswahlen im Mai 1928 allerdings schien die „Götterdämmerung“<br />
über die nationalsozialistische Bewegung hereinzubrechen. Die Hitler-Partei konnte<br />
offensichtlich an die Erfolge der alten DNSAP nicht anknüpfen <strong>und</strong> musste gegenüber<br />
1924 herbe Verluste einstecken. In Leoben beispielsweise wurde Ortsobmann<br />
Dr. Leo Pach-Haussenheimb 499 als einziger Nationalsozialist in den Gemeinderat<br />
gewählt. In Trofaiach verlor die NSDAP ein Mandat von bisher drei; in St. Michael<br />
<strong>und</strong> in Mautern führte der Stimmenrückgang zu Verlusten von jeweils zwei Mandaten<br />
sowie in Eisenerz einem Mandat, so dass die Nationalsozialisten in diesen<br />
Gemeinden überhaupt leer ausgingen. Einer der Hauptgründe für die Wahlschlappe<br />
der NSDAP war der Aufstieg des von der ÖAMG finanzierten <strong>und</strong> forcierten Steirischen<br />
Heimatschutzes, dessen politische Vertreter in den zahlreichen Wirtschafts-<br />
oder Gemeindeparteien saßen. Das großdeutsche Blatt „Obersteirische Volkszeitung“<br />
zog entsprechend Bilanz. Überall dort, wo die antimarxistischen Parteien eine<br />
gemeinsame Front gebildet hatten, wie beispielsweise in Göß <strong>und</strong> Hieflau, war es zu<br />
Stimmen- <strong>und</strong> Mandatsverlusten der „Marxisten“ gekommen. Doch ausgerechnet<br />
in Leoben waren die Nationalsozialisten mit ihren „Sonderbestrebungen“ schuld<br />
daran, dass die sozialdemokratische Liste gestärkt wurde: Der Verlust von über 400<br />
Stimmen <strong>und</strong> die Einbusse von drei Mandaten möge den Hitlerleuten eine Lehre für<br />
die Zukunft sein. Dr. Pach <strong>und</strong> seine Anhänger (…) dürfen den traurigen Ruhm für<br />
sich in Anspruch nehmen, den Sozialisten in Leoben zu einem weiteren Mandat verholfen<br />
zu haben. 500<br />
Bei den letzten Gemeinderatswahlen in der Steiermark der Ersten Republik im<br />
April 1932 sang das Blatt angesichts der Mandatsgewinne der NSDAP ein ganz anderes<br />
Lied:<br />
Die nationale Wählerschaft Leobens hat alle Ursache, mit dem Ergebnis der<br />
Gemeinderatswahlen vollauf zufrieden zu sein. (…) Wie überall, so haben auch<br />
hier die Nationalsozialisten einen bedeutenden Gewinn aufzuweisen, der auch<br />
auf Kosten der Sozialdemokraten erzielt worden ist. So verloren die Sozialdemokraten<br />
in Eisenerz 6, in Donawitz 4, in Leoben 3, in Zeltweg, Judenburg,<br />
Mürzzuschlag, St. Marein i. M., Kapfenberg, Knittelfeld, St. Lorenzen, Kallwang,<br />
Langenwang <strong>und</strong> Trofaiach je 2 (Mandate), in Mautern, Rottenmann, Kraubath<br />
<strong>und</strong> Neuberg je 1 Mandat. 501<br />
498 Am Tage des Gerichtes. In: Die Sturmfahne (31.5.1924) S. 1.<br />
499 Dr. Pach-Haussenheimb wurde im Rahmen einer Jahreshauptversammlung am 27. Jänner 1924<br />
zum neuen Ortsobmann gewählt.<br />
500 Die Gemeinderatswahlen. In: Obersteirische Volkszeitung (3.5.1928) S. 4.<br />
501 Die sonntägigen Wahlen. In: Obersteirische Volkszeitung (26.4.1932) S. 1.