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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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durch Bajonettstiche der Exekutivkräfte verletzt. Dem Bericht der Exekutive zufolge soll<br />

Ing. K., Werksangestellter der Alpine, im allgemeinen Gedränge versucht haben, einem<br />

Assistenzmann das Gewehr zu entreißen. Nachdem er der Aufforderung nicht nachgekommen<br />

war, das Gewehr loszulassen, habe ihn der diensthabende Gendarm in den<br />

Oberschenkel gestochen. 745 Ing. K. wurde anschließend in der Wachstube verb<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> wegen öffentlicher <strong>Gewalt</strong>tätigkeit in das Gefangenenhaus des Kreisgerichtes eingeliefert.<br />

Auch Oberst Karl Kurz, Kreisleiter des steirischen Heimatschutzes, wurde wegen<br />

politischer Umtriebe festgenommen. Laut der „Obersteirischen Volkszeitung“ löste der<br />

Vorfall am Neujahrstag einen Sturm der Entrüstung aus. Auf dem Hauptplatz demonstrierende<br />

Nationalsozialisten riefen „Heil Hitler“ <strong>und</strong> stimmten das Horst-Wessel-Lied<br />

an. 746 Andersgesinnte fühlten sich bald nirgends mehr sicher. Die Omnipräsenz der<br />

illegalen NSDAP geriet zum Alpdruck für deren politische Gegner. „Regierungstreue“<br />

Gewerbetreibende in Leoben waren zum Opfer einer gegen sie gerichteten Boykottbewegung<br />

der Nationalsozialisten geworden. In einem Brief an Handelsminister Stockinger<br />

beschwerte sich der Obmann des christlichsozialen Handels- <strong>und</strong> Gewerbeb<strong>und</strong>es<br />

des Kreises Obersteiermark, Hans Fuhrmann, dass die Hasspropaganda der illegalen<br />

NSDAP bereits seit geraumer Zeit zu einer Ruf- <strong>und</strong> Geschäftsschädigung „vaterlandstreuer“<br />

Kaufleute <strong>und</strong> Gewerbetreibender geführt hatte. Zum Beweis legte Fuhrmann<br />

ein Flugblatt der NSDAP bei, in dem er, Fuhrmann, als Urheber des blutigen Vorfalles<br />

zu Neujahr bezeichnet wurde. 747 In seiner Eingabe bestritt Fuhrmann die Behauptung<br />

des nationalsozialistischen Flugblattes, er habe Gendarmerierittmeister Zenz alarmiert,<br />

sondern erklärte, der Nationalsozialist habe vielmehr die Aufmerksamkeit der<br />

Exekutive provoziert, um eine nationalsozialistische Demonstration auszulösen. Er<br />

bat den Minister im Namen aller Geschäftsleute, dem ruinösen Treiben der illegalen<br />

Nationalsozialisten in Leoben, die den Hauptplatz als ihren persönlichen Tummelplatz<br />

betrachteten, durch ein viel schärferes Vorgehen Einhalt zu gebieten. 748<br />

• Eisenerz: Ein Nazinest?<br />

Neben Leoben, Trofaiach <strong>und</strong> Mautern verfügte die NSDAP über eine besonders aktive<br />

Anhängerschaft auch in dem am steirischen Erzberg gelegenen Industriezentrum.<br />

745 Die Vorfälle am Neujahrstag. In: Obersteirische Volkszeitung (2.1.1934) S. 1: Laut dem Zeitungsbericht<br />

wollte Ing. K. das Gewehr des Assistenzmannes, der ihm den Weg versperrte, nicht entwinden,<br />

sondern nur beiseite schieben.<br />

746 Verbotene Parteipropaganda zu Sylvester <strong>und</strong> Neujahr. In: Obersteirische Volkszeitung (2.1.1934)<br />

S. 1.<br />

747 An die deutsche Bevölkerung von Leoben!<br />

Am Neujahrstage kam es in Leoben zu unerhörten Vorfällen (…). Verschuldet hat dieses würdelose<br />

Vorgehen der Regierungsbüttel, der Kaufmann Hans F u h r m a n n , der sich zuhause nur slowenisch<br />

unterhält (…). Ein deutscher Arbeiter rief einem Fre<strong>und</strong>e einen deutschen Neujahrsgruß zu.<br />

Dies hörte Fuhrmann <strong>und</strong> liess in (!) durch den Gendarmerierittmeister Zenz persönlich verhaften.<br />

(…) Alle Geschäftsleute, die Waren von der Firma Fuhrmann, Leoben beziehen, werden von der<br />

deutschen Bevölkerung unbedingt gemieden werden. Bei Fortbezug solcher Waren werden wir dafür<br />

Sorge tragen, dass alle Volksgenossen den Einkauf bei diesen Kaufleuten unbedingt einstellen, so wie<br />

wir es auch mit den Fre<strong>und</strong>en der Obersteirischen Volkspresse machen werden. (…) Das Jahr 1934<br />

wird das Jahr unseres Sieges sein! Heil Hitler! [im Original unterstrichen, Anm.].<br />

748 StLA ZGS (BKA) K.84/11 (Fol.477–483).<br />

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