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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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gewachsen war. 562 Dennoch stellt Freudenthalers pathetisches Elaborat eines der<br />

wenigen gedruckten Zeugnisse der damaligen Ereignisse in Leoben <strong>und</strong> Umgebung<br />

dar <strong>und</strong> soll daher mit entsprechender Vorsicht verwertet werden. Für die Zeit vor<br />

1932 sind die Informationen jedoch nicht sehr ergiebig: Freudenthalers Bericht ist<br />

sehr knapp gehalten <strong>und</strong> enthält außer ausgesuchten Wahlergebnissen kaum konkrete<br />

Zahlen <strong>und</strong> nur vereinzelt Namen von Ortsgruppen <strong>und</strong> deren Leiter. Vielmehr<br />

betont er allgemein die wachsende Begeisterung der national-orientierten Bevölkerung<br />

Leobens für die nationalsozialistische Bewegung, die in dem Wahlergebnis des<br />

Jahres 1932 gipfelte. Die Zeit der Stagnation <strong>und</strong> Unsicherheit der Bewegung nach<br />

1926 wird geflissentlich übergangen. Unter dem bezeichnenden Subtitel „Vor dem<br />

Sturm“ setzt Freudenthaler seine Schilderung über die gewaltsamen Ereignisse in<br />

Leoben mit dem Jahr 1932 fort. Der Autor widmet den Großteil seiner Erzählung<br />

den Ereignissen nach dem Verbot der Partei bis hin zum so genannten Anschluss im<br />

März 1938. Die Sympathisanten der Bewegung in <strong>und</strong> um Leoben werden als eine<br />

festgefügte nationalsozialistische Front dargestellt, die zunächst offen dann geheim<br />

gegen das furchtbare Unrecht der „Regierung in Wien“ kämpft <strong>und</strong> wiederholt unter<br />

Repression <strong>und</strong> Verfolgung zu leiden hat. Freudenthaler blendet die sozialdemokratische<br />

Mehrheit praktisch aus; sie wird nur am Rand, in Verbindung mit dem<br />

Februar-Aufstand, erwähnt. Im Hinblick auf die Opfer des Juli-Putsches heißt es in<br />

der besten Blut-<strong>und</strong>-Boden-Manier: Wir Steirer, wir Leobner dürfen mit Stolz sagen:<br />

Bei uns war der Boden am besten bereitet für die Saat, für das Reifen. Das hat sich<br />

schon im Blutjahre 1934 gezeigt. Hier wurde der Boden mit Blut gedüngt, hier wurde<br />

kostbarstes Saatgut gesät.<br />

Als Mann der ersten St<strong>und</strong>e – er war ja bereits im Leobener Wohlfahrtsausschuss<br />

aktiv – kann der Eisenbahner Karl Cerha 563 gelten. Freudenthaler nennt ihn einen<br />

„alten Kämpfer“. Im Jänner 1919 berief Cerha die erste Besprechung der Leobener<br />

Nationalsozialisten nach dem Ersten Weltkrieg ein, der ab 1923 weitere regelmäßige<br />

nationalsozialistische Sprechabende folgen sollten. Im August desselben Jahres<br />

nahmen die Vertreter von Stadt <strong>und</strong> Bezirk am nationalsozialistischen Parteitag in<br />

Salzburg teil, „wo sie zum ersten Male Adolf Hitler sahen <strong>und</strong> reden hörten“. Auch<br />

die nationalsozialistische Jugend hatte sich zu sammeln begonnen <strong>und</strong> war 1923,<br />

laut Freudenthaler, auf etwa 300 Mitglieder angewachsen. Ab 1930 verzeichnete die<br />

NSDAP ansehnliche Zuwächse in der obersteirischen Industrieregion <strong>und</strong> anlässlich<br />

des Gauparteitages desselben Jahres in Leoben soll Gauleiter Oberhaidacher, nebst<br />

einem Parteimann aus München, die Bergstadt mit seiner Anwesenheit „geehrt“<br />

haben. Das Jahr 1932 brachte neben den bekannten Wahlerfolgen auch eine Reihe<br />

gewaltsamer Ereignisse in <strong>und</strong> um Leoben. Freudenthaler führt dies auf die Agitation<br />

der „von Fremdstämmigen irregeleiteten obersteirischen Sozialisten“ zurück, die,<br />

„gestützt auf die gegnerische Einstellung der Wiener Regierung“, mit <strong>Gewalt</strong>taten<br />

gegen die Nationalsozialisten vorgingen. Insbesondere der Kommunismus, klagt<br />

562 Freudenthaler, „Eisen auf immerdar!“ Bd.2, S. 9–10.<br />

563 StLA L.Reg. Gr.384: Na 14 (1933): Laut Behördenbericht wurde der in Leoben wohnhafte Bahnbeamte<br />

Cerha am 13. Juli 1889 in Prag geboren <strong>und</strong> hatte in Leoben das Heimatrecht.

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