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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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mokratischen Landtagswahlkampfes 1927 standen unter anderem der Mieterschutz,<br />

die Alters- <strong>und</strong> Invaliditätsversicherung der Arbeiter <strong>und</strong> die Schul- <strong>und</strong> Bildungspolitik.<br />

217 Für die Verschärfung des Klassenkampfes machten die Sozialdemokraten<br />

die Heimwehrführer, die Hetzarbeit von einigen „Hasardeuren“ <strong>und</strong> „abgetackelten<br />

monarchistischen Offizieren“, verantwortlich. 218 Machold wörtlich: Man hat dadurch<br />

den kleinen Mann in der Stadt <strong>und</strong> auf dem Lande das Gruseln beibringen, man hat<br />

ihnen einreden wollen, wenn die Sozialdemokraten ans Ruder kommen, dass sie dann<br />

mit <strong>Gewalt</strong> die Macht im Staate erringen werden <strong>und</strong> deshalb rüsten sie diesen so<br />

sagenhaften republikanischen Schutzb<strong>und</strong> aus. 219<br />

Nach dem Juli 1927, als Wallischs „Rätediktatur“ <strong>und</strong> der von der Sozialdemokratie<br />

proklamierte Generalstreik durch das ultimative Auftreten Pfrimers beendet wurde,<br />

ging es den Vertretern der Sozialdemokratie vor allem darum, den entstandenen politischen<br />

Schaden zu begrenzen. Die Republikfeier am 12. November 1927 in Leoben<br />

sollte zu einer Demonstration sozialdemokratischer Macht werden. An diesem Tag<br />

marschierten etwa 1500 Männer, Frauen <strong>und</strong> Kinder aus Leoben <strong>und</strong> Umgebung zur<br />

öffentlichen Versammlung auf dem Leobener Hauptplatz, wo sie von weiteren r<strong>und</strong><br />

1500 Schaulustigen erwartet wurden. Einleitend hielt Nationalrat Domes eine kämpferische<br />

Ansprache von der Republik der Arbeiter, vor der sich das Bürgertum allen<br />

Gr<strong>und</strong> habe zu fürchten. Anschließend meldete sich Arbeitersekretär Bleimauer zu<br />

Wort: Er gedachte des vor 14 Tagen auf demselben Platz abgehaltenen Heimwehraufmarsches,<br />

einer „Provokation des hiesigen Proletariats“, <strong>und</strong> stieß Drohungen in<br />

Richtung der Heimwehr-Doppelführung Pfrimer <strong>und</strong> Steidle aus, die den „Marsch auf<br />

Wien“ angekündigt hatten. 220 Die großen Töne konnten jedoch kaum über die aktuelle<br />

Situation hinwegtäuschen. Realiter gelang es den steirischen Sozialdemokraten weder<br />

die gerichtliche Auslieferung Wallischs zu verhindern, noch dem „Ruck nach Rechts“<br />

Einhalt zu gebieten. Auf der Erfolgswelle schwimmend, gründeten heimwehrnahe<br />

Donawitzer Betriebsangestellte die „Unabhängige Gewerkschaft“ im Jänner 1928.<br />

Offiziell hieß es, die UG sei ins Leben gerufen worden, um jene Arbeiter, die dem<br />

„Rufe des Heimatschutzes“ gefolgt seien, vor dem „marxistischen Klassenkampf“ zu<br />

schützen. Aber in Wirklichkeit ging es darum, die Macht der Sozialistischen Freien<br />

Gewerkschaften – <strong>und</strong> im geringeren Maß auch der Christlichsozialen Gewerkschaft<br />

– zu brechen. 221 In der Folge ging die Zahl der Stimmen für die freigewerkschaftliche<br />

Liste, beispielsweise bei den Betriebsratswahlen des steirischen Erzberges <strong>und</strong> des<br />

Donawitzer Hüttenwerkes, ab 1929 kontinuierlich zurück, bis schließlich im Mai 1931<br />

keine freigewerkschaftliche Liste mehr kandidieren konnte. 222 Verschärfend auf die<br />

217 StLA Sten. Ber. Stmk.Landtag 1927–1930, 1–61 (1. Sitzung 21.5.1927) S. 2–7.<br />

218 StLA Sten. Ber. Stmk.Landtag 1927–1930, 1–61 (9. Sitzung 17./18.11.1927) S. 173.<br />

219 StLA Sten. Ber. Stmk.Landtag 1927–1930, 1–61 (1. Sitzung 21.5.1927) S. 2–7.<br />

220 StLA BH Leoben Gr.14: K.16 (LGK E.Nr.4229 „Republikfeier in Leoben“, 12.11.1927).<br />

221 Die Entwicklung der Unabhängigen Gewerkschaft. In: Heimatschutz in Österreich (Wien 1934)<br />

S. 299–306; ÖHJ 1933, S. 66 (gibt die Gründung der UG in Leoben mit 21. Mai 1928 an); StLA<br />

L.Reg. Gr.206: Le-152 (1935) „Unabhängige Gewerkschaft“: Laut Aktenstück 143449-9 wurde die<br />

Bildung des Vereins „Unabhängige Gewerkschaft“ mit Sitz in Leoben erst am 19. Juli 1928 per Erlass<br />

des BKA genehmigt. Siehe auch Anm. 388.<br />

222 Hinteregger, Arbeiterbewegung, S. 60.

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