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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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Doppelte. 701 Nach dem Erdrutschsieg bei den Reichstagswahlen im Juli 1932 erlitt die<br />

deutsche NSDAP einen Rückschlag bei den Wahlen im November desselben Jahres,<br />

als zwei Millionen Wählerstimmen verloren gingen <strong>und</strong> eine Regierungsbeteiligung<br />

noch immer nicht in Sicht war. Ende 1932 war die NSDAP an einem Tiefpunkt gelangt,<br />

obwohl sie die stärkste Reichstagsfraktion geblieben war. Für die NSDAP in der Steiermark<br />

war das Jahr 1932 eine Phase der intensiven Aufbauarbeit gewesen. Laut dem<br />

parteiinternen Infoblatt „Gaunachrichten“ war der Mitgliederstand der NSDAP vom<br />

Jänner bis Ende September um 85 Prozent <strong>und</strong> die Zahl der Ortsgruppen um mehr<br />

als das Doppelte gewachsen. 702 Ab dem Herbst hatte die Partei Vorkehrungen für die<br />

im Frühjahr oder Herbst 1933 erwarteten Nationalratswahlen getroffen. Unermüdlich<br />

riefen die „Gaunachrichten“, ihre „Ämterführer“ auf, für die rechtzeitige Einrichtung<br />

<strong>und</strong> Dotierung eines Wahlfonds zu sorgen, um für einen eventuell überraschenden<br />

Wahlkampf gerüstet zu sein. Ende Dezember 1932 wurde stolz verkündet, die Hitlerjugend<br />

sei auf Gr<strong>und</strong> des starken Zulaufes zur größten Jugendorganisation der Steiermark<br />

emporgestiegen. 73 Prozent der „Mädels <strong>und</strong> Jungens“ kämen zudem aus der<br />

„Handarbeiterschaft“. Ob Bannführer Fritz Bauer damit meinte, der NSDAP sei der<br />

Einbruch in Kernschichten der Sozialdemokratie gelungen, ist nicht ganz klar. Fest<br />

steht lediglich, dass die Parteistrategen alles daran setzten, die Jugend für die nationalsozialistische<br />

Idee zu begeistern <strong>und</strong> sich gegebenenfalls zu opfern: Die Hitlerjugend<br />

harrt der Befehle des Führers, ist das Vorbild der Bewegung <strong>und</strong> hat den Schwur geleistet,<br />

entweder zu siegen oder zu fallen, aber niemals lebend das Hakenkreuzbanner, die Fahne<br />

der deutschen Revolution, zu verlassen, so der steirische Bannführer. 703<br />

Mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Jänner 1933 war der<br />

Stern der NSDAP endgültig aufgegangen. Auch in Österreich erhielt die Bewegung<br />

enormen Auftrieb. Ab diesem Zeitpunkt berichteten die Behörden von einer Ausdehnung<br />

der „äußerst lebhaften“ Tätigkeit auf die agrarischen Bezirke der Ost-, West<br />

<strong>und</strong> Südsteiermark, wo die „allgemein herrschende Notlage“ Unzufriedenheit auch<br />

unter der Bauernschaft hervorgerufen hatte. 704 Die Landbevölkerung, besonders die<br />

„Kleinbesitzer“, hieß es, unterliege der skrupellosen Agitation der nationalsozialistischen<br />

Redner <strong>und</strong> dem Einfluss der NS-Propaganda, welche „die Verhältnisse in<br />

Deutschland seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten (…) in den schönsten<br />

Farben schilderten“. Auch mit Hitler werde ein förmlicher Kult getrieben, dessen<br />

Geburtstag am 20. April in allen größeren Orten vielfach mit Freudenfeuern <strong>und</strong><br />

Gottesdiensten gefeiert wurde. Mancherorts habe man den „Führer“ sogar zum<br />

Ehrenbürger ernannt. Laut behördlicher Beobachtung strömten immer mehr Anhänger<br />

aus großdeutschen Kreisen der NSDAP zu; mit dem Heimatschutz-Abkommen<br />

gehörten der Bewegung „derzeit schon Personen an, die auf die Bevölkerung grossen<br />

Einfluss haben“. 705<br />

701 Kurt Bauer, Struktur <strong>und</strong> Dynamik des illegalen Nationalsozialismus in der obersteirischen Industrieregion<br />

1933/1934 (Dipl. Arb., Wien 1998), Kurzzitat: Bauer, Struktur <strong>und</strong> Dynamik, S. 141.<br />

702 Steirische Gaunachrichten der NSDAP (18.10.1932) S. 1<br />

703 Steirische Gaunachrichten der NSDAP (31.12.1932) S. 1.<br />

704 Bauer, Struktur <strong>und</strong> Dynamik, S. 68.<br />

705 StLA ZGS (BKA) K.80/7 (Fol.923–931).<br />

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