Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt
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Berger-Waldenegg konstituierte. 400 Aber die österreichische Heimwehrbewegung<br />
hatte ihre politische Daseinsberechtigung als antimarxistische Kraft lange vor ihrer<br />
offiziellen Auflösung im Oktober 1936 eingebüßt, nämlich spätestens ab August 1933,<br />
als die fortschreitende Verständigung zwischen Dollfuß <strong>und</strong> Mussolini in der Frage<br />
der Errichtung eines autoritären Staates zu einer Akkordierung über die Beseitigung<br />
der Sozialdemokratie führte.<br />
Bis Ende 1927 existierten jene zuvor erwähnten rivalisierenden Heimwehrbewegungen<br />
in der Steiermark nebeneinander: die christlichsozial-landbündlerische<br />
Heimwehr unter Jakob Ahrer – nach dessen skandalumwitterter Abreise nach<br />
Kuba im Frühjahr 1926 hatten zunächst Dr. Ehler aus Laßnitzhöhe, kurz danach<br />
Baron Reinhart Bachofen-Echt die Leitung übernommen – <strong>und</strong> die deutschnationale<br />
„unabhängige“ Bewegung Pfrimers, der Steirische Heimatschutz. Erst die<br />
Juli-Ereignisse brachten eine entscheidende Wende. Nachdem im Oktober 1927<br />
der Zusammenschluss aller österreichischen Heimatwehr- <strong>und</strong> Heimatschutzverbände<br />
unter dem Namen „B<strong>und</strong> österreichischer Selbstschutzverbände“ unter der<br />
Führung des Tirolers Steidle erfolgt war, vereinigten sich auch der „Landesverband<br />
der steirischen Heimwehren“ <strong>und</strong> der „Heimatschutzverband Steiermark“ unter<br />
dem Namen „Heimatschutzverband Steiermark“. Bei einer großen Führertagung in<br />
Graz im Dezember 1927 wurde Walter Pfrimer zum Führer des gesamten Heimatschutzverbandes<br />
Steiermarks gewählt. 401 Als Zeichen der wachsenden Bedeutung<br />
des Steirischen Heimatschutzes innerhalb der Gesamtbewegung war Pfrimer im<br />
Juli 1928 zu Steidles Co-Führer gewählt worden. Die Doppelführung erwies sich<br />
jedoch als Missgriff. Zu den Differenzen der beiden B<strong>und</strong>esführer in der Frage der<br />
parteilichen Orientierung kam das Finanzierungsproblem, war doch Steidle als<br />
Vertreter des klerikalen Flügels zunächst Rezipient der Zuwendungen Mussolinis,<br />
während Pfrimers deutschnationaler Heimatschutz hauptsächlich von der steirischen<br />
Schwerindustrie unterstützt wurde. Pfrimer gab in einem späteren Interview<br />
an, auf dem Gipfel seiner Popularität habe der Steirische Heimatschutz r<strong>und</strong><br />
120.000 Mitglieder <strong>und</strong> Sympathisanten, davon 20.000 militärisch ausgebildete<br />
Männer, in der Steiermark sowie in den angrenzenden B<strong>und</strong>esländern zu seinem<br />
Anhang gezählt. Auch wenn die angegebenen Zahlen nicht belegt werden können,<br />
gehörte der Steirische Heimatschutz zu den größten <strong>und</strong> wichtigsten Teilorganisationen<br />
innerhalb der Heimwehrbewegung. 402 Im Mai 1931 löste Pfrimer eine Krise<br />
aus, als er die B<strong>und</strong>esführung der Heimwehren von Starhemberg übernahm <strong>und</strong><br />
jegliche Parteizugehörigkeit als unvereinbar mit der Heimatschutzidee erklärte. In<br />
Graz, wo Pfrimer diktatorische Personalentscheidungen getroffen hatte, um einen<br />
Widersacher aus dem Weg zu räumen, traf er unerwartet auf massiven Widerstand.<br />
Es handelte sich hierbei um den populären Grazer Kreisführer Wilhelm Neuschitzer,<br />
der sich seine Absetzung durch Pfrimer nicht so ohne Weiteres gefallen<br />
lassen wollte. Demonstrativ ließ er das Stadtbüro aufbrechen <strong>und</strong> besetzen. Als<br />
400 Wiltschegg, Volksbewegung, S. 131–132, 176–181.<br />
401 ÖHJ 1933, S. 32–39; 52–61.<br />
402 Pauley, Hahnenschwanz, S. 61.<br />
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