Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt
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geschadet, so Busson. Im Juni 1931 soll Rauter im Auftrag Pfrimers den Heimatblockabgeordneten<br />
befohlen haben, einer Berufung des designierten B<strong>und</strong>eskanzlers<br />
Seipel nicht zu folgen, sondern sich durch den Klubsekretär verleugnen zu lassen.<br />
Dieses skandalöse Vorgehen, resümierte Busson, habe dem Heimatblock den Rest an<br />
Ansehen genommen; denn wenn in so kritischen Zeiten, wie bei der Bildung dieser<br />
neuen Regierung, niemand der Abgeordneten des Heimatblocks in Wien anwesend<br />
sein darf, dann kann er auch als Partei nicht mehr gewertet werden. Busson wollte<br />
den Heimatblock dennoch nicht fallen lassen, weil er ihn für die „antimarxistische<br />
Front“ brauchte. In einer Denkschrift schlug Busson vor, die Führung des Heimatblocks<br />
dem Großdeutschen Dr. Iring Grailer 445 zu übertragen, der insbesondere „das<br />
Vertrauen der Industrie“ genieße <strong>und</strong> ein Garant des nationalen Kurses sei. Nach<br />
Bussons Meinung sollte das für den Herbst befürchtete Zustandekommen einer<br />
rot-schwarzen Koalition durch den Heimatblock <strong>und</strong> die Großdeutschen verhindert<br />
werden: Es ist sicher, dass die erste Massnahme einer solchen Koalition die Auflösung<br />
<strong>und</strong> Entwaffnung der Selbstschutzformationen <strong>und</strong> einen Niederbruch der Heimatschutzbewegung<br />
im Gefolge hätte. So beschlossen die Mitglieder des Exekutivkomitees<br />
des Stahlwerkverbandes Apold, Knaur, Friedländer, Bleckmann <strong>und</strong> Schöller, dem<br />
Heimatblock vier weitere monatliche Subventionen in der Höhe von S 1000,– zu<br />
gewähren. 446 Walter Pfrimer war jedoch nicht gewillt, den Industriellen zuliebe die<br />
Zügel aus der Hand zu geben. Stattdessen trat er die Flucht nach vorne an, in der<br />
Hoffnung, die drohenden Ereignisse mit einem fait accompli abzuwenden.<br />
Bei einer am 22. September 1931 durchgeführten polizeilichen Durchsuchung der<br />
Kanzlei <strong>und</strong> der privaten Räumlichkeiten des Sekretärs der obersteirischen Eisen-<br />
<strong>und</strong> Stahlwerke Dr. Paul Weitzer in Bruck an der Mur wurde eine Reihe kompromittierender<br />
Schriftstücke betreffend der Finanzierung der Heimatschutzbewegung<br />
beschlagnahmt. Nach dem fehlgeschlagenen Staatsstreich Pfrimers waren Gerüchte<br />
in der Bevölkerung laut geworden, dass die obersteirische Sektion des Stahlwerksverbandes<br />
ihre Finger im Spiel bei der Finanzierung des Putsches gehabt hatte. In einer<br />
von einem Beamten des Innenministeriums durchgeführten Befragung gab Weitzer<br />
zwar zu, gemeinsam mit den anderen Sektionen des Hauptverbandes der Industrie<br />
Österreichs eine im Interesse der Industrie <strong>und</strong> der Wirtschaft agierende Bewegung<br />
unterstützt zu haben, bestritt jedoch, sich an dem Pfrimer-Putsch finanziell beteiligt<br />
zu haben. Laut Weitzers Aussage war der Industriellenverband, dessen Zentrale in<br />
Wien lag, nicht an der „revolutionären“ Bewegung der Führung Pfrimer/Rauter, sondern<br />
vielmehr an der parlamentarischen Partizipation des Heimatblocks interessiert:<br />
Als im Jahre 1926 <strong>und</strong> später dann nach den Ereignissen 1927 die Heimatschutzbewegung<br />
eine ungeahnte Ausdehnung gewann <strong>und</strong> als Abwehrbewegung<br />
auch die Unterstützung der damaligen Staatsmänner Seipel <strong>und</strong> Dr. Schober in<br />
Anspruch nehmen konnte, wurde zum Teile sogar über Veranlassung führender<br />
445 Iring Grailer war von 1923 bis 1930 Nationalratsabgeordneter der Großdeutschen Volkspartei:<br />
http://www.parlament.gv.at/WW/DE/PAD_00458/pad_00458.shtml, 18.12.2009.<br />
446 ÖStA AdR Ktn.4871 BKA Inneres 22/gen 1932 (GZ.221.233 GD.1/31, 20.11.1931) Busson an Weitzer,<br />
22.6.1931.<br />
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