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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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durch eine vom Innenminister Starhemberg Anfang November in sozialdemokratischen<br />

Einrichtungen aber auch in Privatgebäuden <strong>und</strong> Wohnungen angeordnete<br />

Waffensuche zusätzlich verschärft wurde. Der offiziellen Version zufolge wurde die<br />

Schwerpunktaktion in der obersteirischen Industrieregion im Raum Bruck, Leoben<br />

<strong>und</strong> Knittelfeld <strong>und</strong> Fohnsdorf durchgeführt, um festzustellen, ob <strong>und</strong> in welchem<br />

Ausmaß der republikanische Schutzb<strong>und</strong> im „gesetzwidrigen“ Besitz, das heißt entgegen<br />

den von der Behörde bewilligten Satzungen, von „Kriegswaffen“ 644 sei. Obwohl<br />

die Razzien gut vorbereitet <strong>und</strong> streng geheim gehalten worden waren, blieb der<br />

erhoffte Erfolg aus. Seitens der Behörde wurde festgestellt, dass der „Resch“ bereits<br />

Tage zuvor Kenntnis von der Aktion erlangt hatte, denn frische Spuren deuteten<br />

darauf hin, dass die vermuteten Waffenbestände rechtzeitig ausgelagert worden<br />

waren. Die Zahl der durch Detachements der Gendarmerie im Untersuchungsgebiet<br />

beschlagnahmten Schusswaffen samt dazugehöriger Munition sowie Hieb- <strong>und</strong><br />

Stichwaffen 645 stand in keinem Verhältnis zu den von Polizeispitzeln gemachten<br />

Angaben. In der Leobener Arbeiterkammer, dem vermuteten Hauptdepot, fand man<br />

beispielsweise lediglich 3 Gewehre <strong>und</strong> 5 Bajonette, im Kinderheim Tollinggraben 7<br />

Gewehre <strong>und</strong> 2 Faustfeuerwaffen sowie im Konsumverein Seegraben 2 Gewehre <strong>und</strong><br />

2 Säbeln. Die Bezirkshauptmannschaft Leoben musste eingestehen, dass die geringfügigen<br />

Waffenbestände noch „keine Handhabe zum Einschreiten im Sinne des (…)<br />

Erlasses“ gaben. 646 Die Schutzb<strong>und</strong>führer Wallisch (Bruck) <strong>und</strong> Köhler (Leoben)<br />

gaben unisono zu Protokoll, der Schutzb<strong>und</strong> habe nie Kriegsgerät an seine Mitglieder<br />

ausgegeben; wenn solche doch zu Tage gefördert werden sollten, so seien diese dem<br />

Privatbesitz der Betroffenen zuzurechnen. Die Empörung r<strong>und</strong> um den „Überfall“<br />

der staatlichen <strong>Gewalt</strong> war unter der betroffenen Bevölkerung entsprechend groß.<br />

Es folgte eine Flut von Beschwerden über die Rücksichtslosigkeit einiger Exekutivbeamter,<br />

die bei ihrer Suchaktion nicht nur Einrichtungsgegenstände beschädigt,<br />

sondern Fußbodenbretter aufgerissen <strong>und</strong> Schlösser durch unsachgemäßes Öffnen<br />

zerstört hatten. In mindestens einem Fall hatte man behördlich genehmigte Waffen<br />

<strong>und</strong> Munition konfisziert. Weitere Klagen folgten über verschw<strong>und</strong>enes Werkzeug,<br />

fehlende Geldscheine <strong>und</strong> vieles mehr. 647 Im Endeffekt geriet die als gezielt gegen den<br />

Republikanischen Schutzb<strong>und</strong> gerichtete Maßnahme zum Schlag ins Wasser. Anstatt<br />

Brücken zu bauen, wurden Gräben aufgerissen: Die misslungene Aktion steigerte<br />

bloß den Hass der „roten“ Arbeiterschaft gegen die Willkür der Regierungsparteien,<br />

allem voran den Heimatblock.<br />

644 StLA L.Reg. K.678: Gr.384 (1932), R71/29 1930: Zur Kategorie „Kriegswaffen” wurden ausschließlich<br />

militärische Schusswaffen <strong>und</strong> Munition gezählt. „Gewöhnliche Schieß-, Stech- <strong>und</strong><br />

Hiebwaffen wie Spaten <strong>und</strong> Beilpicken wurden nicht dazugerechnet (StLA L.Reg. K.678: Gr.384<br />

(1932),R71/29 1930.<br />

645 Insgesamt 4 Maschinengewehre, etwa 400 Schusswaffen, r<strong>und</strong> 270 Bajonette <strong>und</strong> Säbel, zahlreiche<br />

Gummiknüppel <strong>und</strong> Totschläger sowie geringere Mengen an Ausrüstungsgegenstände wie Stahlhelme,<br />

Spaten <strong>und</strong> Beilpickel.<br />

646 StLA L.Reg. K.678: Gr.384 (1932), R71/28 1930.<br />

647 StLA L.Reg. K.678: Gr.384 (1932), R66 1930.<br />

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