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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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Wirtschaftspolitische Faktoren<br />

Einerseits fördert die Wirtschaftskrise radikale Tendenzen in der obersteirischen<br />

Industrieregion. Agitatoren der KPÖ organisieren Widerstandsgruppen <strong>und</strong> können<br />

einen Teil der Arbeitslosen mobilisieren. Mit der Unterstützung diverser politischer<br />

Gruppen kommt es in der Folge zur Gegenwehr bei Versteigerungen <strong>und</strong> Delogierungen.<br />

Die Bauernunruhen im oststeirischen Vorau werden von den Kommunisten<br />

unterstützt <strong>und</strong> als beispielhaft propagiert. Auch die Gewerbetreibenden beginnen zu<br />

rebellieren. Steigende Auslagen <strong>und</strong> stagnierende Umsätze schüren Existenzängste.<br />

In verschuldeten Betrieben beschlagnahmte Waren werden bei Versteigerungen zu<br />

Schleuderpreisen verkauft. Andererseits bröckelt der politische Widerstand durch<br />

die prekäre Beschäftigungssituation. Die Not zwingt so manche Andersgesinnte in<br />

den „regierungstreuen“ Dienst, wo sie als Hilfspolizisten oder Schutzkorpsmänner<br />

der Arbeitslosigkeit entkommen können.<br />

Innenpolitische Faktoren<br />

Die innenpolitischen Ereignisse des Jahres 1933 üben eine destruktive Wirkung auf<br />

substanzielle Teile der Gesellschaft aus. Die Nazis führen eine quasi-legitime Kampagne<br />

gegen die Regierung <strong>und</strong> rufen nach Wahlen. Die Ausschaltung des Parlamentes<br />

am 15. März 1933, die zur definitiven Radikalisierung von Teilen des Republikanischen<br />

Schutzb<strong>und</strong>es führt, sowie die Illegalisierung der KPÖ, der NSDAP <strong>und</strong> des<br />

Steirischen Heimatschutzes, bringen eine Verschärfung der agitatorischen Praxis mit<br />

sich. Der verbotene Schutzb<strong>und</strong> hat sich in seiner Schattenorganisation rasch wieder<br />

konstituiert <strong>und</strong> bereitet sich intensiv auf einen Einsatz vor. Von der Regierung<br />

einseitig angeordnete Maßnahmen wie Waffensuchen in Vereinsräumen <strong>und</strong> Privatquartieren<br />

von Sozialdemokraten, die Bespitzelung von Friedhofsbesuchern <strong>und</strong><br />

anderen „Verdächtigen“ wie auch die Vorschreibung von Ersatzleistungen werden als<br />

reine Willkür empf<strong>und</strong>en. In ihrer Rolle als Exekutivorgane der Staatsmacht werden<br />

Mitglieder der Gendarmerie <strong>und</strong> anderer Schutzwachen oftmals als Feinde wahrgenommen.<br />

Durch die Ereignisse des Jahres 1934 verhärten sich die Fronten zwischen<br />

dem „vaterländischen“ Regime <strong>und</strong> seiner zum Teil hausgemachten Gegnerschaft.<br />

Nach dem Motto: „Jetzt erst recht!“ werden subversive politische Netzwerke in der<br />

obersteirischen Industrieregion aufgebaut <strong>und</strong> auf den Tag X vorbereitet.<br />

6.5 Ursachen<br />

Die Frage, warum gerade die obersteirische Industrieregion einen scheinbar idealen<br />

Nährboden für den politischen Radikalismus im genannten Zeitraum bot, ist nicht<br />

einfach zu beantworten. Ohne wissenschaftliche Vergleichsmöglichkeiten mit anderen<br />

(Industrie)regionen kann das Phänomen mit dem Argument der heterogenen<br />

sozialpolitischen Zusammensetzung nicht hinreichend erklärt werden. Aufgr<strong>und</strong>

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