Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt
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Umgebung sorgte nicht nur für die Unterhaltung <strong>und</strong> Weiterbildung ihrer Mitglieder<br />
durch Theater- <strong>und</strong> Musikabende, Gesangsunterricht, Kurse sowie die Anschaffung<br />
<strong>und</strong> ständige Erweiterung einer Bibliothek, sondern zahlte auch Unterstützungen<br />
an bedürftige <strong>und</strong> kranke Arbeiter aus. 365 Zu den Sorgen um die materielle Not der<br />
Donawitzer Bevölkerung gesellte sich plötzlich eine neue seelische „Gefahr“: Im<br />
Jahr 1932 musste die Katholische Aktion Donawitz verstärktes Augenmerk auf die<br />
„gegen die katholische Kirche“ gerichtete, von „Bibelforschern“ ins Leobener Gebiet<br />
getragene Missionarstätigkeit lenken. 366<br />
Trotz des Engagements <strong>und</strong> Optimismus blieb der prozentuelle Wählerstimmenanteil<br />
der CSP in den bevölkerungsreichsten Zentren des Bezirkes jedoch unter<br />
15 Prozent: In der Stadt Leoben entfielen bei den Nationalratswahlen 1930 901 der<br />
6794 gültigen Stimmen auf die CSP (13%); im Vergleich dazu wählten 2918 Menschen<br />
die SDAP (43%). In Donawitz entfielen von 9542 gültigen Stimmen 633 auf<br />
die CSP (7%) <strong>und</strong> 5272 auf die SDAP (55%). Sogar in der ländlichen Marktgemeinde<br />
Mautern <strong>und</strong> Umgebung blieb die CSP hinter der SDAP zurück <strong>und</strong> konnte lediglich<br />
370 der 1232 Stimmen (30%) erobern (SDAP 386). In diesem Zusammenhang<br />
ist freilich auf die Konkurrenz des erstmals kandidierenden Heimatblocks hinzuweisen,<br />
der vermutlich einen nicht geringen Anteil der christlichsozialen Wähler<br />
<strong>und</strong> Wählerinnen „wegschnappte“. Ein genauer Vergleich zu den Nationalratswahlen<br />
1927 ist wegen der damaligen Zugehörigkeit der CSP zur „Einheitsliste“, in<br />
der auch die Großdeutsche Volkspartei vertreten war, kaum möglich. In der Stadt<br />
Leoben spielte die nationale Fraktion (GDV <strong>und</strong> NSDAP) stets eine bedeutende<br />
Rolle innerhalb des bürgerlichen Lagers. Mit Max Enserer konnten die Nationalen<br />
von 1922 bis 1931 den Bürgermeisterposten wie auch knapp die Hälfte der von<br />
der Gemeindepartei errungenen Mandate beanspruchen. Die Nationalsozialisten<br />
(Hitlerbewegung) feierten ihren größten Zuwachs bei den Gemeinderatswahlen<br />
1932, zogen mit 6 Vertretern in den Gemeinderat ein <strong>und</strong> stellten mit Karl Cerha<br />
den zweiten Vizebürgermeister. 367<br />
In den sozialdemokratischen Hochburgen Bruck an der Mur <strong>und</strong> Kapfenberg<br />
stützte sich die CSP auf eine ähnlich schmale Basis. 368 Die kleine christlichsoziale<br />
Fraktion, die gemeinsam mit den Großdeutschen in der „Wirtschaftspartei“<br />
das Forum der Bürgerlichen bildete, konnte sich kaum gegen die Übermacht<br />
der Sozialdemokraten behaupten. 369 Trotzdem oder gerade deswegen ließ sich<br />
die Brucker Ortsgruppe von ihren zahlreichen Aktivitäten nicht abbringen. Der<br />
365 StLA BV Leoben K.95 (Kath. Volks & Arbeiterbildungsverein für Donawitz <strong>und</strong> Umgebung. Beilage<br />
zum Subventionsansuchen an den Bezirksausschuss Leoben, 21.4.1930).<br />
366 Tagesnachrichten. In: Leobener Zeitung (6.3.1932) S. 12.<br />
367 Wahlergebnisse im Bezirk Leoben. In: Obersteirische Volkszeitung (26.4.1932) S. 2; Freudenthaler,<br />
„Eisen auf immerdar!“, S. 389–395.<br />
368 Bei den NRW am 9.11.1930 in der Stadt Bruck entfielen 867 von 6778 gültigen Stimmen auf die CSP<br />
(r<strong>und</strong> 13%) <strong>und</strong> 3685 auf die SDAP (54%).<br />
369 Bei den Gemeinderatswahlen 1928 errangen die Christlichsozialen 7 der 11 Mandate der mit den<br />
Großdeutschen gemeinsam gebildeten Brucker Wirtschaftspartei; die Sozialdemokraten gewannen<br />
18 Mandate, die NSDAP 1 Mandat. [Die Ergebnisse der Brucker Gemeinderatswahl: In. Leobener<br />
Zeitung (6.3.1928) S. 1].<br />
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