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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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des Konfliktes nach sich zieht. Im Jahr 1930 registriert die Exekutive verstärkte<br />

Aktivitäten seitens der Wehrverbände im Bezirk Leoben. Das ganze Jahr hindurch<br />

finden beinahe jeden Sonntag Aufmärsche oder Übungen sowie zahlreiche<br />

Wahlversammlungen im Vorfeld der Novemberwahlen statt. Für zusätzlichen<br />

Unmut im linken Lager sorgt die Interimsregierung Vaugoin, als sie Anfang<br />

November eine Suchaktion nach Waffenlagern des republikanischen Schutzb<strong>und</strong>es<br />

anordnet. 584<br />

• Wer vor dem Nichts steht, hat nichts zu verlieren: Ab etwa 1930 beginnt sich die<br />

Wirtschaftskrise verhängnisvoll auf die gespannte innenpolitische <strong>und</strong> gesellschaftliche<br />

Lage auszuwirken. Konjunkturbedingte Betriebsschließungen führen<br />

zu einem raschen Anwachsen der Arbeitslosigkeit, was wiederum die Kommunisten<br />

auf den Plan ruft. In der Folge organisieren lokale Kommunistenführer<br />

Demonstrationen, Versammlungen <strong>und</strong> „Hungermärsche“, in deren Verlauf eine<br />

nicht näher definierbare Zahl von Arbeitslosen gewalttätig auftritt. In ursächlichem<br />

Zusammenhang mit der Rezession jener Jahre steht die Verelendung großer<br />

Teile der Bevölkerung. Zeitzeugen wie Franz Schick sprechen vom unsteten Leben<br />

auf der Walz, von Bettelei, Hunger <strong>und</strong> Kälte. Durch sinkende Kaufkraft <strong>und</strong><br />

schrumpfende Steuereinnahmen werden auch manche Industriegemeinden wie<br />

Donawitz, die sich um eine stets wachsende Zahl von Fürsorgefällen zu kümmern<br />

haben, in den finanziellen Ruin getrieben. Für böses Blut in Stadt <strong>und</strong> Land sorgen<br />

Delogierungen <strong>und</strong> Versteigerungen, die mit Unterstützung verschiedener<br />

politischer Gruppierungen immer öfter vereitelt werden.<br />

• „Die Fahne hoch …“: In dieser Phase tritt die NSDAP mit beispielloser Rigorosität<br />

<strong>und</strong> immer neuen propagandistischen Einfällen mit dem Anspruch auf, nicht<br />

nur den im Verfall begriffenen Steirischen Heimatschutz zu „beerben“, sondern<br />

sowohl die ländliche Bevölkerung als auch die Arbeiterschaft der Industrieregion<br />

für die Idee der Volksgemeinschaft zu begeistern. Offiziell fordert die NSDAP<br />

strengste Disziplin von ihren Anhängern. In der Praxis jedoch führt der von ihr<br />

propagierte Rassenantisemitismus zu einer Reihe von Anschlägen auf jüdische<br />

Geschäfte in Leoben. Das radikale Vorgehen der Nationalsozialisten mündet in<br />

zahlreiche blutige Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner. Zu Not<br />

<strong>und</strong> Leid der Bevölkerung gesellen sich jetzt Angst <strong>und</strong> Unsicherheit. Zahlreiche<br />

Sprengsätze machen Straßen <strong>und</strong> Plätze zu gefährlichen Aufenthaltsorten. Nach<br />

dem Verbot der Partei setzt sich der Terror, der enormen materiellen Schaden<br />

stiftet <strong>und</strong> die Exekutive Tag <strong>und</strong> Nacht in Atem hält, in verstärktem Maße<br />

fort. 585 Auf einer zweiten Schiene richtet sich der nationalsozialistische Terror<br />

gegen die Regierung Dollfuß. Die Existenzberechtigung des österreichischen<br />

Staates, der wirtschaftlich <strong>und</strong> moralisch in die Knie gezwungen werden soll,<br />

wird in Frage gestellt. Die verstärkte Unterwanderung von Polizei, Gendarmerie<br />

584 Chronik des BGK Leoben, 1930.<br />

585 Chronik des BGK Leoben, 1934.<br />

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