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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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24<br />

offenbarte sich die enge Verwandtschaft von Macht <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> im Rahmen der<br />

politischen Machtentfaltung im öffentlichen Raum. Ausländische Berichterstatter<br />

beobachteten die Veränderungen im nationalsozialistischen Deutschland nach<br />

der Machtergreifung Hitlers. Sie verzeichneten eine neue Qualität des Politischen:<br />

Politische <strong>Gewalt</strong>, nicht mehr in Balancesysteme eingeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> der Kontrolle<br />

der Konkurrenten ausgesetzt, sondern <strong>Gewalt</strong> als öffentliche Macht, der man<br />

nicht ausweichen konnte, die allgegenwärtig aus Lautsprechern tönte, die mittels<br />

Paraden, Bildern <strong>und</strong> Symbolen verkündet wurde. 25<br />

• Der Wiener Soziologe Ernst Bruckmüller weist auf das Uniformtragen als<br />

Ausdruck der individuellen <strong>und</strong> kollektiven Macht hin. Die Uniform hatte<br />

für viele Männer eine Identität stiftende Wirkung, schuf kameradschaftlichen<br />

Zusammenhalt, den „Korpsgeist“, <strong>und</strong> erzeugte bei Zivilpersonen Respekt,<br />

Angst, oder je nach Rangordnung auch Ehrerbietung. Uniformierte Personen<br />

strahlten Macht aus. Das eventuell vorhandene Imponiergehabe des Einzelnen<br />

wurde bei massenhaftem Auftreten, etwa bei Aufmärschen, naturgemäß verstärkt.<br />

In ihrem spannenden Aufsatz über Militär <strong>und</strong> Männlichkeit zeigt die<br />

feministische Historikerin Christa Hämmerle auf, ob <strong>und</strong> wie Männlichkeit<br />

in der königlich-(u.) kaiserlichen Armee zwischen 1868 <strong>und</strong> 1918 als „hegemonial“<br />

empf<strong>und</strong>en <strong>und</strong> ausgelebt wurde. 26 Es ist immer wieder argumentiert<br />

worden, dass die Militarisierung der Gesellschaft, durch die Ableistung des<br />

Militärdienstes <strong>und</strong> die Erlebnisse des Ersten Weltkrieges begünstigt, eine Brutalisierung<br />

der Nachkriegsgesellschaft in Österreich, das heißt die Tendenz<br />

Brachialgewalt anzuwenden, zur Folge hatte. Gerade die „Frontgeneration“<br />

hatte gelernt, Problemlösungen vornehmlich durch Kommandos <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong>anwendung<br />

rasch herbeizuführen. 27 Die in der ersten Nachkriegszeit gegen<br />

kaiserliche Offiziere verübten Racheakte, aber auch Plünderungen <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong>taten,<br />

wurden vielfach auf die Verrohung jener Kriegsteilnehmern zurückgeführt,<br />

die laut Otto Bauer in den Schützengräben Unsägliches erlitten hatten. 28<br />

Aber im gegenteiligen Sinn hätten diese Erlebnisse ebenso zu einer Verurteilung<br />

jeglicher <strong>Gewalt</strong> führen können. Immerhin konnte noch vorhandenes<br />

<strong>Gewalt</strong>potenzial nach den Verheerungen des Zweiten Weltkrieges, zumindest<br />

nach außen hin, zurückgedämmt <strong>und</strong> der soziale Friede in Österreich hergestellt<br />

werden. Infolge der Besetzung des Landes wurden Selbstschutzverbände<br />

überflüssig: sie blieben ein „Spuk“ der Vergangenheit. Aber entscheidend für<br />

den Frieden nach 1945 waren vor allem der feste Wille der verantwortlichen<br />

Politiker, den dringend notwendigen parteipolitischen Konsens zu suchen sowie<br />

25 Hans Maier, „Totalitarismus“ <strong>und</strong> „Politische Religionen“. Konzepte des Diktaturvergleichs. In:<br />

Eckhard Jesse (Hrsg.), Totalitarismus im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert. Eine Bilanz der internationalen Forschung<br />

(Baden-Baden 1999) S.120<br />

26 Christa Hämmerle, Zur Relevanz des Connell’schen Konzepts hegemonialer Männlichkeit für<br />

„Militär <strong>und</strong> Männlichkeit/en in der Habsburgermonarchie (1886–1914/18)“. In: Martin Dinges<br />

(Hrsg.), Männer – Macht – Körper. Hegemoniale Männlichkeiten vom Mittelalter bis heute (=<br />

„Geschichte <strong>und</strong> Geschlechter“ 49, Frankfurt am Main 2005) 103–121.<br />

27 Ernst Bruckmüller, Sozialgeschichte Österreichs, 2. Aufl. (Wien 2001) S. 409.<br />

28 Botz, <strong>Gewalt</strong>, S. 23ff.

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