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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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186<br />

Die Erklärung Wallischs wurde von der bürgerlichen Opposition als „Lüge“ <strong>und</strong><br />

„Verdrehung“ des wahren Sachverhaltes abgetan. Von Verhandlungen könne keine<br />

Rede sein, erklärte Hornik. Der Kommandant des Republikanischen Schutzb<strong>und</strong>es<br />

Neubauer habe die bürgerliche Partei ultimativ zum Einlenken aufgefordert. Wallisch<br />

soll außerdem gedroht haben, für den Fall eines Heimwehreinsatzes gegen die<br />

Sozialdemokratie in Wien einige ausgesuchte Persönlichkeiten von Bruck an der Mur<br />

in Geiselhaft zu nehmen. Nachdem am 18. Juli der Brucker Bürgermeister Gruber<br />

das Ende der ungesetzlichen Vorgänge verkünden ließ, habe Wallisch selbst nach den<br />

Konsequenzen seines verfassungswidrigen Vorgehens gefragt. 602 Hingegen wurde die<br />

Gegenoffensive des Steirischen Heimatschutzes von der bürgerlichen Einheitsliste<br />

vom Tisch gewischt mit dem Argument, die Empörung sei nicht vom Bürgertum,<br />

sondern von den Sozialdemokraten ausgegangen. 603 Aus bürgerlicher Sicht war nach<br />

der Beendigung des „Kriegszustandes“ lediglich ein „Waffenstillstand“ zwischen den<br />

„Kriegsparteien“ eingetreten. Unter dem Eindruck der außergewöhnlichen Ereignisse<br />

appellierte Dr. Paul Weitzer im Namen des Exekutivkomitees der Bürgerschaft an<br />

die Solidarität aller Bürger zum „Schutz des Eigentums“. 604 Im gleichen Zug erklärte<br />

sich das Komitee zu einer permanenten Einrichtung <strong>und</strong> kündigte die Aufstellung<br />

einer „Ordnungsmacht“ an. Als die Brucker Ortsgruppe des Heimatschutzverbandes<br />

gegründet wurde, 605 verhärteten sich die politischen Fronten zwangsläufig. 606 Der<br />

fromme Wunsch des Komitees „endlich auch unserer Heimatstadt Befriedung zu<br />

geben“ sollte auf Jahre hinaus unerfüllt bleiben.<br />

Im Vergleich zu Bruck an der Mur <strong>und</strong> einigen Ortschaften des oberen Murtales<br />

verlief der 16. Juli in Leoben <strong>und</strong> Umgebung relativ unspektakulär. Die Leobener<br />

Arbeiterkammer war Drehscheibe <strong>und</strong> Mittelpunkt der Geschehnisse jener Tage.<br />

Hier holten sich sozialdemokratische Vertrauensmänner <strong>und</strong> Funktionäre ihre<br />

Anweisungen; von hier aus wurden Schutzbündler zur Straßensperre aufgeboten<br />

<strong>und</strong> Kontrollorgane, welche den von 6 bis 9 Uhr Vormittags in sämtlichen Betrieben<br />

durchgeführten Proteststreik überwachten, ausgesandt. Laut einer Lokalzeitung<br />

kam es trotz des von der Bezirkshauptmannschaft Leoben verhängten Alkoholverbotes<br />

zu zahlreichen Alkoholexzessen <strong>und</strong> zu einem „Stau“ im Gemeindearrest, wo<br />

„schon lange nicht mehr so viele Betrunkene“ gesessen waren. In der Stadt Leoben<br />

vereinbarten die Parteien, keine Versammlungen oder Demonstrationen durchzuführen;<br />

die Geschäfte blieben den ganzen Tag geöffnet <strong>und</strong> das Wirtschaftsleben<br />

ging seinen gewohnten Weg. In Donawitz, Seegraben, Judendorf <strong>und</strong> Göss sowie<br />

602 Kritische Tage für Bruck. In: Obersteirerblatt (20.7.1927) S. 5.<br />

603 StLA Sten.Ber. Stmk.Landtag 1927–1930, 1–61 (25.7.1927) S. 50–66.<br />

604 An die Bürgerschaft der Stadt Bruck a d. Mur! In: Obersteirerblatt (20.7.1927) S. 1; Der Aufruf des<br />

Exekutivkomitees der Bürgerschaft der Stadt. In: Ebda (23.7.1927) S. 4: Unter „Bürger“ meinte das<br />

Exekutivkomitee nicht einen sich abgrenzenden Stand, sondern den Staatsbürger, also „sämtliche<br />

heimattreuen Brucker, die auf dem Boden des Gesetzmäßigkeit stehen, ganz gleich ob Arbeiter<br />

oder Industrielle, Akademiker oder Bauern, Gewerbetreibende oder Kaufleute“.<br />

605 Die Heimatschutzbewegung in Bruck. In: Leobener Zeitung (23.7.1927) S. 3.<br />

606 Robert Hinteregger, Karin M. Schmidlechner, Eduard Staudinger, Koloman Wallisch <strong>und</strong><br />

die obersteirische Arbeiterbewegung. In: Hinteregger/Müller/Staudinger, Freiheit, S. 204;<br />

Die „Diktatur“ in Bruck a. Mur. In: Obersteirische Volkszeitung (21.7.1927) S. 1–2.

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