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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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106<br />

dungen der Eisenbahner-Privilegien auf. Als die beiden kommunistischen Führer<br />

<strong>und</strong> Herausgeber der Zeitung „Das Rote Echo“, Pangerl <strong>und</strong> Raber 300 , Mitte März<br />

wegen Hochverrates verhaftet wurden, erstürmten einige arbeitslose Kommunisten<br />

die Bezirkshauptmannschaft, „bedrängten den Bezirkshauptmann“ <strong>und</strong> warfen<br />

Akten <strong>und</strong> Möbel aus dem Fenster. Bei der am 13. April im Brucker Parteisekretariat<br />

durchgeführten Razzia wurden Bürobedarf <strong>und</strong> Propagandamaterial von<br />

der Polizei beschlagnahmt. 301<br />

Nach dem Verbot der KPÖ Ende Mai 1933 wurde die Aktivität der Kommunisten<br />

in der obersteirischen Industrieregion vorübergehend eingebremst. Laut<br />

behördlicher Einschätzung schlossen sich ein Großteil der kommunistischen<br />

Gefolgschaft anderen Parteien oder Bewegungen an, in der Hoffnung, irgendeine<br />

Unterstützung oder Arbeit zu erhalten. Konkrete Vermutungen gingen in<br />

die Richtung, einige fanatische Einzelgänger unter den Kommunisten wollten<br />

in Wahrheit regierungsnahe Organisationen wie den Schutzkorps oder den<br />

Österreichischen Heimatschutz unterwandern, um deren Mitglieder politisch<br />

zu beeinflussen. Die örtliche Exekutive erhielt daher die Order, die jeweiligen<br />

Kommandanten <strong>und</strong> Ortsgruppenleiter dahingehend zu orientieren. 302 Nach<br />

dem Schutzb<strong>und</strong>aufstand im Februar 1934 intensivierte die verbotene Organisation<br />

ihre Bemühungen um die „herrenlose“ Arbeiterschaft. Mit einer gewissen<br />

Genugtuung verwiesen die Kommunisten auf den selbst verursachten Untergang<br />

der meistgehassten Bruderpartei <strong>und</strong> priesen sich selbst als Allheilmittel des<br />

Proletariats an. In Leoben wusste die Gendarmerie von einer „besonders lebhaften“<br />

Tätigkeit der Kommunisten zu berichten, die „fieberhaft“ an dem Ausbau<br />

der Partei arbeiteten <strong>und</strong> viele Anhänger der verbotenen SDAP abgeworben<br />

hätten. Sowohl das Leobener als auch das Brucker Postenkommando meldeten<br />

ein Gerücht, wonach die Kommunisten mit einem neuerlichen „marxistischen<br />

Putsch“ im Herbst rechneten. Noch im August 1934 hielt die emsige Arbeit der<br />

KPÖ in Bruck an, wo sie hoffte, eine Einigung mit der sozialdemokratischen<br />

Arbeiterschaft zu erreichen.<br />

4.2.4 Undercover-Ermittlungen 1934<br />

Um etwas mehr über die illegale Organisation der Kommunisten in Leoben <strong>und</strong><br />

Umgebung zu erfahren, wurde im Juli 1934 ein verdeckter Ermittler der Gendarmerie<br />

in das Netz der KPÖ eingeschleust. Probegendarm Rudolf Bahr war<br />

dazu ausersehen worden, weil er über ausgezeichnete Kenntnisse des Eggenberger<br />

Arbeitermilieus verfügte. Als „Führer der SAJ“ (Sozialistische Arbeiter-Jugend) in<br />

Eggenberg erschlich er sich zunächst das Vertrauen der Mutter eines der illegalen<br />

300 Pangerl <strong>und</strong> Raber wurden bei der Schwurgerichtsverhandlung in Leoben am 4. Mai 1933 freigesprochen:<br />

StLA L.Reg. K.688: Gr.384, Ko 2/131 („komm. Tätigkeit im April 1933“).<br />

301 StLA ZGS (BKA) K.80/7 (LGK „komm. Bewegungen im März 1933“; GPK Bruck an BKA, 14.4.1933;<br />

LaD an BKA, 31.3.1933).<br />

302 StLA ZGS (BKA) K.81/8 (Fol.73–74).

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