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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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Hilfsarbeiter Johann Roßmann, feuerte in die Menge <strong>und</strong> verletzte zwei Frauen schwer.<br />

Das Unglück nahm seinen Lauf als Roßmann mit seinen Begleitern das Festgelände<br />

betrat, ohne seinen Hut – oberstes Symbol der politischen Gesinnung – abzunehmen.<br />

Diese aufreizende Geste wurde von einigen politischen Gegnern zum Anlass genommen,<br />

insbesondere Roßmann zu bedrohen <strong>und</strong> vom Festplatz zu verjagen. Der Gendarmerie<br />

gab Roßmann später zu Protokoll, er habe in Panik von seiner Schusswaffe<br />

Gebrauch gemacht, als der Ziegelarbeiter F., der ihm schon zuvor den Hut vom Kopf<br />

heruntergeschlagen hatte, ihn auf der Flucht in die Enge getrieben <strong>und</strong> mit einem<br />

Stock traktieren wollte. Roßmanns zwei Kumpanen konnten aus dem entstandenen<br />

Gedränge entkommen. Der Schütze, der sich bis 22 Uhr in einer Holzlage versteckt hielt<br />

<strong>und</strong> anschließend selbst stellte, wurde verhaftet <strong>und</strong> in das Bezirksgericht Bruck an der<br />

Mur eingeliefert. In einer Protestversammlung beschloss die Kapfenberger Arbeiterschaft,<br />

bei Ableben einer der Frauen in den Ausstand zu treten. Ihrer Forderung den<br />

für Ende Juli in Kapfenberg geplanten Heimatschutzaufmarsch zu untersagen, wurde<br />

umgehend von der Bezirkshauptmannschaft Bruck entsprochen. Das Verbot sei wegen<br />

Gefährdung der öffentlichen Sicherheit erfolgt, hieß es in der amtlichen Begründung. 622<br />

In einer Gegendarstellung wies der Heimatschutzverband die Behauptung des<br />

„Arbeiterwillen“, die Veranstaltung sei „sozialdemokratisch“ gewesen, als unzutreffend<br />

zurück. Vielmehr habe sich der Verein als „unpolitisch“ deklariert <strong>und</strong><br />

die gesamte Bevölkerung Kapfenbergs per Maueranschlag zum Fest geladen. Die<br />

drei jungen Heimatschützler hätten sich entsprechend erk<strong>und</strong>igt <strong>und</strong> den Eintritt<br />

zum Fest ordnungsgemäß gezahlt. Roßmann sei kein „Arbeitermörder“, sondern er<br />

habe als Opfer einer regelrechten „Menschenjagd“ in äußerster Notwehr gehandelt,<br />

nachdem er von einer Übermacht beschimpft, tätlich angegriffen <strong>und</strong> mit Steinen<br />

beworfen worden war:<br />

Wir beklagen es, daß in Ausübung der Notwehr unbeteiligte Frauen verletzt<br />

wurden, aber wir betonen auch, daß die moralische Verantwortung für den<br />

unglücklichen Ausgang des Vorfalles jene marxistischen Hetzer trifft, welche<br />

ein Interesse daran haben, die Bevölkerung Kapfenbergs in ständiger Unruhe zu<br />

halten (…). Die Jagd auf unsere Mitarbeiter reiht sich würdig den vielen <strong>Gewalt</strong>taten<br />

an, die von den Roten in Kapfenberg <strong>und</strong> anderwärts verübt wurden. 623<br />

Zweifellos bezog sich die Landesleitung auf einen Vorfall, der sich am Sonntag<br />

davor ereignet hatte, als drei Heimatschützler aus Kapfenberg von einer nicht näher<br />

bezeichneten „Meute“ in Peggau scheinbar gr<strong>und</strong>los überfallen <strong>und</strong> mit Zaunlatten,<br />

Stöcken <strong>und</strong> „Knickern“ blutig geschlagen wurden. Mit dem Schlachtruf „Arbeitermörder,<br />

schlagt sie tot!“ soll die Meute auf ihre politischen Gegner losgezogen sein;<br />

erst ein Bajonettangriff der Gendarmerie konnte das wüste Treiben, bei dem auch<br />

ein Wachebeamter verletzt wurde, stoppen. 624<br />

622 StLA ZGS (BKA) K.74/1 (Fol.132–133; 141–142).<br />

623 Stellungnahme des Heimatschutzverbandes zum Vorfall in Kapfenberg. In: Obersteirerblatt<br />

(28.7.1928) S. 4.<br />

624 Überfälle auf Kapfenberger Heimatschützer. In: Obersteirerblatt (25.7.1928) S. 7.<br />

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