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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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Generalstreiks, besonders der Eisenbahner, als Hauptgründe für den missglückten<br />

Aufstand gesehen. Der sozialdemokratischen Zentralleitung war es in ihrer Zerrissenheit<br />

nicht gelungen, den Kampfwillen in der breiten Masse der Arbeiterschaft<br />

zu aktivieren. Zudem basierte der „Eifler-Plan“ auf militärischen Voraussetzungen,<br />

die im Februar 1934 nicht mehr oder nur partiell gegeben waren. Der Aufstand<br />

war, so Rabinbach, nicht nur ein Akt des Widerstandes gegen den Untergang der<br />

Demokratie, sondern eine Revolte gegen die Unfähigkeit der zentralen Führung,<br />

einen Ausweg aus dem tödlichen Stillstand zu finden. 867<br />

5.4.2.4 Zusammenfassung<br />

Nach der Niederschlagung der Revolte wurden zahlreiche Schutzbündler <strong>und</strong> Sozialdemokraten<br />

in den Aufstandsgebieten festgenommen, verhört <strong>und</strong> zu Kerkerstrafen<br />

verurteilt. 868 An ausgesuchten Anführern wie Münichreiter, Weissel, Stanek <strong>und</strong><br />

Wallisch wurde ein Exempel statuiert: Sie mussten am Galgen sterben. Die erhoffte<br />

Befriedung der sozialdemokratischen Arbeiterschaft rückte damit in weite Ferne,<br />

die dargereichte Hand der Regierung <strong>und</strong> der Kirche wurde als Hohn empf<strong>und</strong>en.<br />

In der obersteirischen Industrieregion kamen Geld <strong>und</strong> Lebensmittelspenden aus<br />

internationalen Quellen für die an Not leidenden Familien inhaftierter Schutzbündler<br />

zur Verteilung. Dadurch, meinten die Behörden, die das Geschehen mit<br />

Argusaugen überwachten, würde die Hoffnung auf das Wiedererstehen der verbotenen<br />

Partei <strong>und</strong> eines neuerlichen Aufstandes nur genährt. Hilfsbereite Menschen,<br />

die durch Sammlungen Leid lindern wollten, wurden daher schikaniert, verhört<br />

<strong>und</strong> eingesperrt. Geradezu boshaft, ja pietätlos mutet es an, dass die Exekutive<br />

Friedhofsbesuchern in Leoben auflauerte <strong>und</strong> sie durchsuchte, wie im Fall eines<br />

Arbeiters aus Bruck, der mit einem Kranz für Wallisch im Rucksack „erwischt“<br />

wurde. Kein W<strong>und</strong>er also, dass viele Menschen, die alles verloren, wofür sie gelebt<br />

hatten, einen regelrechten Widerwillen, ja Hass auf das Dollfuß-Regime entwickelten.<br />

In einem Aufruf der Revolutionären Sozialisten zum 1. Mai kommt dies<br />

deutlich zum Ausdruck:<br />

Wir wollen an diesem Tage unserer toten Helden gedenken, die im Kampfe für<br />

Freiheit <strong>und</strong> Recht gefallen sind. Oder den Märtyrertod durch die Henker der<br />

christlichen Regierung starben.(…) Wir vergessen es der christlichenfaschistischen<br />

Regierung nicht, dass sie mit Kanonen auf Arbeiterfrauen <strong>und</strong> Arbeiterkinder<br />

geschossen hat. (…) Die österreichische Arbeiterschaft wird sich auch nicht<br />

in die ständische Gesellschaftsordnung einfügen, die alle arbeitenden Menschen<br />

zu Sklaven der Kapitalisten <strong>und</strong> der Pfaffen macht. (…) Wir wollen am 1. Mai<br />

867 Rabinbach, Bürgerkrieg, S. 208–211.<br />

868 StLA ZGS (BKA) K.87/14 (Fol.866): Die Gendarmerie gab an, vor <strong>und</strong> während des Aufstandes<br />

in der Steiermark insgesamt 1686 Menschen verhaftet <strong>und</strong> 312 Anzeigen erstattet zu haben. Die<br />

15 getöteten Gendarmen <strong>und</strong> Schutzkorpsleute wurden posthum mit der „Goldenen Medaille für<br />

Verdienste um die Republik Österreich“ ausgezeichnet.<br />

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