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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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5.4.2.2 Die Lage spitzt sich zu<br />

Nach der Ausschaltung des Parlamentes am 15. März 1933 drifteten der linke <strong>und</strong><br />

rechte Flügel innerhalb der SDAPÖ noch weiter auseinander. Aus linken Kritikern<br />

wurden Oppositionelle, die dem Parteivorstand Versagen vorwarfen. In einer Gr<strong>und</strong>satzerklärung<br />

hieß es, die Parteiführung habe den revolutionären Sozialismus in<br />

einen „kleinbürgerlichen Reformsozialismus“ umgebogen. 852 Es wurde daher bald<br />

klar, dass sich die Jungsozialisten <strong>und</strong> jungen Schutzbündler in der obersteirischen<br />

Industrieregion diese Politik der Zurückhaltung nicht mehr gefallen lassen wollten.<br />

Anfang April 1933 gibt ein Konfidentenbericht Auskunft über die explosive Stimmung<br />

hinter der scheinbar ruhigen Fassade des nun verbotenen Republikanischen<br />

Schutzb<strong>und</strong>es in Leoben:<br />

Von der roten Parteileitung ist an alle Parteiorganisationen natürlich auch an<br />

den Republikanischen Schutzb<strong>und</strong> (Resch) die Weisung ergangen, sich jetzt überall<br />

vollkommen ruhig zu verhalten, um den Schein zu erwecken, dass nichts mehr<br />

zu unternehmen geplant sei bzw. dass man sich nicht mehr getraue, etwas zu<br />

unternehmen. Dies ist aber nur eine Irreführung, denn in Wirklichkeit ist alles<br />

bis ins Detail vorbereitet <strong>und</strong> auch alles bereit, nur die obersten Führer haben<br />

sich noch mit einigem zu beschäftigen. Wir haben ganz bestimmte Nachrichten<br />

in der Hand, dass Starhemberg den Plan hat, Wien zu erobern (…). Die B<strong>und</strong>esleitung<br />

hat die vollste Überzeugung, in Wien sehr bald der Sieger zu sein.<br />

Beim Hauptschlag in Wien leiten zwei höhere Offiziere der Wehrmacht, welche<br />

zahlreiche Anhänger unter den Unteroffizieren <strong>und</strong> der Mannschaft haben, die<br />

alle bereit sind, für die demokratische Republik einzustehen. Auch in Graz, wie<br />

in den übrigen Garnisonen besteht mit dem B<strong>und</strong>esheer regste Verbindung, wobei<br />

auch die jetzt einberufenen alten Wehrmänner gute Dienste leisten. 853<br />

Offenbar glaubte die Schutzb<strong>und</strong>führung, wie seinerzeit auch Pfrimer, dass Heeresangehörige<br />

einer jeweiligen politischen Gesinnung im Ernstfall den Gehorsam<br />

verweigern würden. Dies sollte sich rächen. Trotz des Vorhandenseins von sozialdemokratisch<br />

gesinnten Heeresangehörigen ist kein einziger Fall bekannt, dass sich ein<br />

Soldat geweigert hätte, bei einem Assistenzeinsatz gegen den Schutzb<strong>und</strong> oder bei<br />

der Durchsuchung sozialdemokratischer Einrichtungen mitzumachen. Letztendlich<br />

überwog die Verpflichtung zur Befehlstreue <strong>und</strong> zum Gehorsam gegenüber der legitimen<br />

Staatsgewalt. 854 In Leoben <strong>und</strong> Bruck soll die Stimmung in radikalen Schutzb<strong>und</strong>kreisen<br />

bereits so gereizt gewesen sein, dass einige Jungsozialisten zum Zeichen<br />

ihres Zornes schon vor dem sozialdemokratischen Nationalratsabgeordneten <strong>und</strong><br />

Schutzb<strong>und</strong>obmann Josef Hartmann ausgespuckt hätten. Früher oder später, meinte<br />

der Informant, würde es zu einer „großen Auseinandersetzung“ kommen. Von der<br />

852 Holtmann, Unterdrückung, S. 72–75.<br />

853 StLA L.Reg. Gr.384: Schu 2/53 (1933).<br />

854 Manfried Rauchensteiner, Landesverteidigung <strong>und</strong> Sicherheitspolitik 1918–1934. In: Tálos/<br />

Dachs, P.S.Ö., S. 616.<br />

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