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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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KPÖ habe überall einen gewaltigen Eindruck hinterlassen, resümiert Polanski. Sogar<br />

in den Alpine-Betrieben habe man von der „größten K<strong>und</strong>gebung seit zehn Jahren“<br />

gesprochen.<br />

Auch in Judenburg habe die KPÖ zu einer gemeinsamen K<strong>und</strong>gebung der Fohnsdorfer<br />

<strong>und</strong> Judenburger Arbeiterschaft aufgerufen, so Polanski, um den Bürgern<br />

zu zeigen, dass sich Arbeiter <strong>und</strong> Arbeitslose nicht von einem behördlichen Verbot<br />

abschrecken ließen. Dort hatten die „sozialdemokratischen Bonzen“ versucht, die<br />

Arbeiterschaft von einer Demonstration abzuhalten. Der Fohnsdorfer Bürgermeister<br />

Horvatek 670 sei sogar im Laufschritt zu einer Arbeitslosenversammlung geeilt <strong>und</strong><br />

habe dem Genossen Leeb eine scharfe Rüge erteilt, weil dieser die Versammelten<br />

zur Teilnahme an der Demonstration der Kommunisten aufgerufen hatte. Fremde,<br />

soll Horvatek Leeb mitgeteilt haben, haben hier überhaupt nichts zu reden!. Trotz<br />

des bürgermeisterlichen Versprechens Arbeit in der Gemeinde zu beschaffen, marschierten<br />

„eine Anzahl“ Fohnsdorfer Arbeitslose nach Judenburg, streng bewacht<br />

von Gendarmeriebeamten mit aufgepflanzten Bajonetten. Polanski berichtet mit<br />

Genugtuung von der Demonstration einiger h<strong>und</strong>ert Arbeitslosen in Judenburg, wo<br />

alle Ämter <strong>und</strong> Behörden durch ein Massenaufgebot an Gendarmen gesichert worden<br />

waren. Nach der K<strong>und</strong>gebung wurde eine Deputation mit einem Forderungskatalog<br />

zu dem Bezirkshauptmann Dr. Tieber geschickt, der versprach, diesen an höhere<br />

Stellen weiterzuleiten. Auch in Eisenerz fand eine K<strong>und</strong>gebung statt, die allerdings<br />

mit Verhaftungen endete. Dort erklärte sich der sozialdemokratische Bürgermeister<br />

aus finanziellen Gründen nicht bereit, die Forderung der Arbeitslosen zu erfüllen.<br />

Die Kommunisten nützten solcherlei Absagen sozialdemokratischer Funktionäre als<br />

willkommenen Anlass, die Sozialdemokraten insgesamt als „Verräter“ an der Arbeiterschaft<br />

zu brandmarken. Kaum seien jene an der Macht, hieß es dann, beriefen sie<br />

sich „wie die Faschistenregierung“ auf Geldmangel. 671<br />

Mit der Massenmobilisierung der Arbeitslosen eng verknüpft wurde der Kampf<br />

der Betriebsarbeiter gegen Lohnabbau <strong>und</strong> Massenentlassungen, sowie die Losreißung<br />

der „werktätigen“ Bauern aus der Einflusssphäre der „Bourgeoisie“. Die KPÖ<br />

konstatierte eine „ständig wachsende Radikalisierung“ in den Reihen der ärmeren<br />

Bauern <strong>und</strong> rief zu einer Steigerung der Agitation <strong>und</strong> Propaganda im Dorf auf.<br />

Größter Wert wurde auf die Schaffung von Aktionskomitees als Gegenbewegung<br />

zu den bestehenden Bauernorganisationen gelegt. 672 Der Aktionsplan der KPÖ zielte<br />

demnach auf die Gewinnung breiter Massen für die bolschewistische Partei; gleichzeitig<br />

befürchtete die Parteiführung, dass ihr in der NSDAP ein ernstzunehmender<br />

Konkurrent im Kampf um die Früchte des Radikalismus erwachsen war:<br />

Unser Hauptkampf geht gegen die SP <strong>und</strong> Schutzb<strong>und</strong>-Bonzen (…). Die sozialdemokratische<br />

Front muss durchbrochen, grosse Schichten sozialdemokratischer<br />

Arbeiter durch uns erfasst werden. (…) Die Fahne des Kommunismus ist aber<br />

670 Norbert Horvatek (1888–1982) war seit 1924 Bürgermeister von Fohnsdorf.<br />

671 StLA BH Leoben Gr.14: K.58 (1932): Zl.386/II Po 2/6–1932, 11.3.1933.<br />

672 StLA ZGS (BKA) K.78/5 (Fol.230–233).<br />

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