Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt
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Freudenthaler, begann sich zu rühren: Versammlungen wurden gestört <strong>und</strong> nationalsozialistische<br />
Parteigenossen auf der Straße überfallen. 564 Im Juni 1932 schätzte<br />
die Behörde die Anhängerschaft der Nationalsozialisten in Leoben, die ständigen<br />
Zulauf aus den Reihen anderer nationaler Bewegungen, aber auch aus sozialdemokratischen<br />
Beamten- <strong>und</strong> Angestelltenkreisen erhielt, auf etwa 3000 Menschen. 565<br />
Durch das Anwachsen der Organisation konnten die Leobener Nationalsozialisten<br />
bald ein Parteiheim in der Erzherzog-Johann-Straße neben dem Parteisekretariat<br />
am Hauptplatz einrichten. 566 Im August 1932 wurden die Wahlerfolge der NSDAP in<br />
Deutschland zu Propagandazwecken im ganzen Bezirk „ausgeschlachtet“. Die von<br />
politischen Gegnern inszenierten Krawalle <strong>und</strong> Störversuche forderten die Aufmerksamkeit<br />
der Exekutive immer wieder aufs Neue heraus. In Leoben beispielsweise,<br />
wo Cerha <strong>und</strong> Oberhaidacher Anfang August vor r<strong>und</strong> 3000 Menschen auf dem<br />
Hauptplatz auftraten, mussten demonstrierende „Gesinnungsgegner“ durch einen<br />
Bajonettangriff zerstreut werden. 567 Die Machtübernahme Adolf Hitlers Ende Jänner<br />
1933, die von der Leobener Ortsgruppe mit Festkonzert <strong>und</strong> Fackelzug gebührend<br />
gefeiert wurde, bescherte der NSDAP neuerlichen Aufschwung. Zwar hemmten die<br />
nach der Ausschaltung des Parlaments im März 1933 gesetzten repressiven Maßnahmen<br />
Wiens die öffentlichen Aktivitäten der Bewegung, konnten jedoch der Begeisterung<br />
ihrer Anhänger kaum etwas anhaben, so Freudenthaler. Dies zeigte sich bei<br />
einer Feier im Leobener Postsaal anlässlich Hitlers Geburtstags am 20. April 1933,<br />
als Karl Cerha unter „Jubelstürmen“ <strong>und</strong> begleitet von den Fanfaren der SA-Musik<br />
unter Standartenführer Franz Kollenz die nahende Ankunft des Großdeutschen<br />
Reiches feierlich verkündete. 568 In seiner Aprilnummer berichtet „Der Kampf“ von<br />
einem noch nie dagewesenen Mitgliederzuwachs in Leoben. 569 Am 24. Mai fand die<br />
erste gemeinsame Versammlung der NSDAP mit der Ortsgruppe des Steirischen<br />
Heimatschutzes in der Leobener Sängerhalle statt. Mehr als 2000 gegen die Regierung<br />
demonstrierende Anhänger sollen danach durch die Stadt gezogen sein. 570<br />
Mit dem Ziel, der Tätigkeit der NSDAP wirksam entgegenzutreten, verbot die<br />
Regierung Anfang Mai 1933 generell das Tragen von Uniformen oder Stücken<br />
davon, die eine „politische Einstellung“ zur Schau stellten. Die Nationalsozialisten<br />
versuchten das Uniformverbot zu umgehen, indem ihre Formationen in weißen<br />
Oberhemden <strong>und</strong> schwarzen Krawatten auftraten. Doch auch dies wurde nicht toleriert.<br />
Als die Leobener SA-Kapelle in ebensolcher Aufmachung ein Platzkonzert zu<br />
Ehren des 70. Gründungsfestes des Deutschen Turnvereines Leoben veranstaltete,<br />
wurden sämtliche Musiker wegen Übertretung des Verbotes angezeigt. 571 Auch<br />
in Mautern veranstalteten lokale Nationalsozialisten eine politische K<strong>und</strong>gebung<br />
564 Freudenthaler, „Eisen auf immerdar!“ Bd.2, S. 11–32.<br />
565 StLA ZGS (BKA) K.79/6 E.Nr.216 res.ad (9.6.1932).<br />
566 StLA L.Reg. Gr.384: Na14 (1933).<br />
567 StLA ZGS (BKA) K.79/6 E.Nr.14.588 (19.9.1932).<br />
568 Freudenthaler, „Eisen auf immerdar!“ Bd.2, S. 11–32.<br />
569 Wir steigen trotz Haß <strong>und</strong> Verbot! In: Der Kampf (15.4.1933) S. 4.<br />
570 Massenversammlung in Leoben. In: Der Kampf (3.6.1933) S. 5.<br />
571 StLA ZGS (BKA) K.81/8 (Fol.307): LGK an BKA 14.7.1933.<br />
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