11.09.2012 Aufrufe

Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

den Anschluss von Kommunisten <strong>und</strong> Arbeitslosen erwartete man einen Gesamtstand<br />

von etwa 1500 Mann. Die Eisenerzer Ortsgruppe sollte also künftig nicht<br />

nach Norden in Richtung Selzthal abgehen, sondern nach Leoben vorstoßen, während<br />

im Raum von St. Michael Einsatzkräfte für die Industriezentren im oberen<br />

Murtal zur Verfügung standen. Ziel dieses neuen Masterplans war es, vermehrte<br />

Kräfte ins Kerngebiet der Industrieregion zu schleusen, um nicht nur Bruck an<br />

der Mur, sondern auch die Stadt Leoben zu halten. Diese fieberhaften Aktivitäten<br />

des Schutzb<strong>und</strong>es richteten sich bekanntlich gegen einen neuerlichen Putsch des<br />

Steirischen Heimatschutzes.<br />

Nach dem Austritt Walter Pfrimers aus dem Heimatschutz Anfang Mai 1932<br />

<strong>und</strong> dem Führungswirrwarr auf oberster Heimwehr-Ebene ergab sich jedoch eine<br />

völlig andere Lage. Auch der Vormarsch der NSDAP bei den Gemeinderatswahlen<br />

im April hatte die politische Landschaft der Obersteiermark verändert. Angeblich<br />

forderten die Sozialisten sofortige Neuwahlen, um nicht weitere Wählerstimmen<br />

zugunsten der NSDAP zu verlieren. Nun wurden die Nationalsozialisten, nicht der<br />

durch Führerstreitigkeiten <strong>und</strong> Geldmangel geschwächte Heimatschutz, von den<br />

Sozialisten als politischer Hauptgegner betrachtet. Zu dieser Zeit drohte seitens<br />

der NSDAP weniger die Gefahr eines Putsches, sondern vielmehr eine Erstarkung<br />

der antimarxistischen Kräfte in Österreich, wobei vor allem der gewagte<br />

Aktionismus <strong>und</strong> das forsche Auftreten der Nationalsozialisten einen ungeheuren<br />

Reiz auf immer mehr Jugendliche ausübten. Wenige Monate später, im Herbst<br />

1932, gab es bereits deutliche Indizien dafür, dass sich die radikalen Mitglieder<br />

der „Jungfront“ von der älteren disziplinierten Garde trennen <strong>und</strong> die Führung<br />

des Schutzb<strong>und</strong>es an sich reißen wollten. Von einem lokalen Zusammengehen<br />

mit den Kommunisten war bald die Rede. Ende Dezember wurde eine erweiterte<br />

Kreisleitungssitzung des „Resch“ in Bruck an der Mur abgehalten. Themenschwerpunkt<br />

war die Vorgehensweise des Schutzb<strong>und</strong>es im Fall eines Putsches<br />

oder einer „gewaltsamen Ergreifung der Diktatur“ durch das Bürgertum. Für die<br />

Verteidigung Wiens standen angeblich 40.000 bestens ausgebildete <strong>und</strong> ausgerüstete<br />

Männer sowie ein geschätztes Viertel der B<strong>und</strong>espolizei zur Verfügung.<br />

In der Steiermark, so der Informant, hätte der „Resch“ die geringste Zahl von<br />

Anhängern bei der gesamten Exekutive zu verzeichnen. Zur obersten Priorität<br />

des steirischen „Resch“ war die sofortige Sicherung der im Hochschwabgebiet<br />

befindlichen Hochquellen, die Wien mit Wasser versorgten, erklärt worden.<br />

Nach der raschen Eroberung Wiens beabsichtigte man freigewordene Kräfte zur<br />

endgültigen Übernahme der „Provinz“ zu verwenden Die Behörden berichten<br />

von einem österreichweiten Mannschaftsstand von mehr als 78.000 Mann des<br />

Republikanischen Schutzb<strong>und</strong>es gegenüber 32.000 Exekutivkräften des B<strong>und</strong>es.<br />

Der „Resch“ traf offenbar nicht nur vorbeugende Maßnahmen gegen einen vom<br />

B<strong>und</strong>esführer Starhemberg angedrohten Heimwehr-Putsches, sondern plante<br />

im Anlassfall selbst in die Offensive zu gehen. Doch selbst nach dem 15. März,<br />

als der Nationalrat von der Regierung Dollfuß am Zusammentreten gehindert<br />

worden war, geschah nichts dergleichen. Lediglich in den Bezirken Bruck an der<br />

Mur <strong>und</strong> Leoben war es zu einer „lebhafteren Tätigkeit“ gekommen. In Leoben<br />

89

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!