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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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6. Schlussbetrachtungen<br />

Mit diesem Beitrag zur zeitgeschichtlichen Regionalforschung hoffe ich, einen mehrfachen<br />

Zweck erfüllt zu haben. Einerseits sollte ein möglichst objektiver Zugang<br />

zur politischen Mentalität der Ersten Republik erschlossen werden, nicht nur um<br />

einschneidende politische Entwicklungen zu rekonstruieren, sondern vor allem<br />

um die Stimmung an der „Basis“ zu verstehen. Mit dem etwas nebulosen Begriff<br />

der „Mentalität“ sind hier bestimmte Denkweisen <strong>und</strong> Einstellungen zu verstehen,<br />

die kollektiven wie auch individuellen Handlungen zu Gr<strong>und</strong>e liegen. Es ist bereits<br />

angeklungen, dass ein nicht näher definierbarer Anteil der erwachsenen Bevölkerung,<br />

wahrscheinlich ein Großteil, von einer bestimmten Gr<strong>und</strong>haltung geprägt<br />

war, mit einer Weltanschauung sympathisiert oder sich am politischen Geschehen<br />

in irgendeiner Form aktiv beteiligt hat. Andererseits war es mir ein Bedürfnis, die<br />

wechselseitigen Wirkungen von politischen Abläufen auf staatlicher <strong>und</strong> regionaler<br />

Ebene aufzuzeigen. Aufgr<strong>und</strong> ihrer doppelten Bedeutung als hervorragendes<br />

Wirtschaftszentrum <strong>und</strong> als Drehscheibe der politischen Agitation besaß die obersteirische<br />

Industrieregion stets überregionale Bedeutung. Mehr als einmal war sie<br />

Schauplatz einer politischen Umsturzbewegung.<br />

6.1 Zur Fragestellung „Radikalisierung<br />

des politischen Klimas“<br />

Eine Radikalisierung des politischen Klimas setzt voraus, dass es ab etwa 1926 zu<br />

einer vermehrten Agitation in politischen Milieus <strong>und</strong> folglich zu einer Verhärtung<br />

der Fronten entlang der von Stein Rokkan definierten gesellschaftlichen Konfliktlinien<br />

gekommen ist. 923 In der Steiermark ist diese Entwicklung als eine Wiederbelebung<br />

der noch nicht lange zurückliegenden Konflikte zu betrachten, die im<br />

letzten Kriegsjahr sichtbar werden <strong>und</strong> bald nach dem Bruch der rot-schwarzen<br />

Regierungskoalition zu einer Verschärfung des politischen Klimas beitragen. Zu<br />

diesen gehören der „Fenstersturz“ Rintelens 1921, die Zusammenstöße zwischen<br />

Heimwehr <strong>und</strong> Arbeitern in Waltersdorf bei Judendorf 1922 sowie die frühen Auftritte<br />

der Nationalsozialisten des Jahres 1923. Tagespolitische Auseinandersetzungen<br />

um emotional besetzte ideologische <strong>und</strong> kirchenpolitische Themen wie die Trennung<br />

von Kirche <strong>und</strong> Staat sorgen zusätzlich für böses Blut <strong>und</strong> werden besonders vor<br />

Wahlen virulent.<br />

923 Das Gr<strong>und</strong>modell des norwegischen Soziologen zur Erklärung der Lagerbildung in Österreich bei:<br />

Hanisch, Schatten, S. 118.<br />

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